Freitag, 15. Oktober 2010

Der Besuch der Prinzessin

Der Besuch der Prinzessin

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Normalsterblicher in die unmittelbare Reichweite zu einer leibhaftigen Prinzessin kommt. Das sind schon besondere Momente im Leben, wiewohl ich eingestehen muss, dass ich als zwangfrei denkender Altachtundsechziger eigentlich wenig empfänglich bin für royalistische Konventionen. Doch das sehen unsere Mit-Thais völlig anders!

Das Hotel in Südthailand, in dem ich seit 2 Wochen lebe, ist seit Tagen im Ausnahmezustand. Vor drei Tagen schon kam eine Fliegerstaffel hier an und eine Gruppe Sicherheitsleute durchkämmte jeden Winkel. Tags drauf trafen die beiden Lieblingshunde der Prinzessin ein, die in einem oberen Stockwerk mehrere Zimmer belegten. Und schließlich musste ich sogar aus meinem Unterrichtsraum ausziehen, in den dann eine Einheit von Sicherheitspolizisten einrückte. Das achtzehnte Stockwerk war komplett für die Prinzessin reserviert, einer von den drei Liften stand nur für sie bereit und war gesperrt und die Tiefgarage wurde von allen Fahrzeugen geräumt. Aus Bangkok war eigens ein schwer behangener Fotograf eingeflogen, um die denkwürdigen Momente festzuhalten. Viele seiner früheren Bilder hingen bereits überall auf den Hotelfluren und in den Zimmern und gaben reichlich Zeugnis von seinen furchtlosen Reisen in ferne Länder, wobei er als wärmeempfindlicher Thai sogar vor solch grimmigen Ausflügen in den bayerischen Februar nicht zurückschreckte, von dem er jüngst zurückgekommen war.


Dann endlich nahte der große Moment. Zwar wurden uns noch zwei lange Stunden Herumsteherei in der Hotel-Lobby abverlangt. Aber was ist das schon gegen das Erhaschen eines Augenblicks mit Sirindhorn! Alle waren angetreten: vom Küchenpersonal, über die Bedienungen des Restaurants, die gesamte niedere Verwaltung bis hoch zu den geschäftsführenden Mitgliedern der Hotelgruppe und schließlich die komplette Eignersfamilie samt Kindern. Sogar ein älteres Ehepaar aus Norwegen, das schon seit vielen Jahren regelmäßig in dieses Hotel kommt und darin monatelang wohnt, hatte sich in den Galakordon eingereiht und bot auf einer geschmückten Gabenschale einen lehrreichen Bildband über Norwegen dar. Die Frau aus dem hohen Norden Europas balancierte mit großer Grandezza ein folklorereiches Wallegewand mit lieblichen Stickereien durch die Wandelhalle, das in vergangenen Zeiten unzweifelhaft als Wikingerjurte einer kleinen nordischen Familie Herberge gewesen war, wohingegen ihr Mann mit einem schlichten lilafarbenen Frackhemd daher kam, welches aber vor lauter Stärke auch mühelos hätte allein laufen können.


Der Hotelgründer ist eine lokale Geschäftsgröße, der in zweiter Generation zwei angesehene Hotels in der Stadt betreibt und auch im Tourismus engagiert ist, doch die Grundfesten der Unternehmensaktivitäten sind im Fischbusiness verankert. Er besitzt mehrere Fabriken und Fisch verarbeitende Betriebe in der Gegend, und seinen weithin bekannten Konservenfisch “Bumpui” verkauft er sogar über die Grenzen Thailands hinaus. Dabei ist er ein umgänglicher und leutseliger Mensch geblieben, der für jedermann ein paar freundliche Worte übrig hat. Jegliche Blasiertheit und Aufgeblasenheit sind ihm gänzlich fremd. Ein wenig umgibt ihn noch diese familiäre Atmosphäre eines treusorgenden Unternehmenspatrons, der seine Angestellten noch mit dem Namen kennt. Seine Vorfahren waren vor langen Jahren aus China eingewandert, die mit Ehrgeiz und Zielstrebigkeit die Grundfesten für ein lokales Miniimperium geschaffen hatten, das heute ihren Nachfahren einen erklecklichen Wohlstand beschert.


Draußen vor der Hotelauffahrt kauerte das Volk hinter einer Absperrung, während im Inneren die Aufstellungen allmählich zu militärischen Formationen gerieten. Vor der Tür stand die Eignersfamilie in Reih und Glied, deren Frauen auf dekorierten Schalen Blumenkränze zur Begrüßung darboten, während auf der anderen Seite des roten Teppichs die beiden Hunde der Prinzessin zu Füßen ihres Betreuers lagerten. Die königliche Familie besitzt insgesamt 21 Hunde, die von sechs Pflegern versorgt werden. Tipsi, der Lieblingshund der Prinzessin, ist ein lebendiges, und äußerst aufmerksames Hündchen mit spitzen Ohren, das auf Kommando Männchen machen kann, und sein überwältigender Charme läßt die umstehenden Thais in wahre Verzückungstaumel fallen. Der in seinem dicken Fell schwer schnaufende Bernhardiner hingegen hat nach Auskunft seines Pflegers ein paar absunderliche Eigenheiten angenommen, die keiner so recht versteht. Er mag nämlich keine Ausländer, woraufhin ich verschreckt jegliche Tätschelversuche einstellte.

Immer wieder mal rauschten hochkarätige Luxuskarossen und abgedunkelte Minibusse heran, aus denen drahtige Militärburschen sprangen, deren braune Hemden mit Abzeichen, Dienstmarken, Banderolen und Dekorierungen derart absurd zugepflastert waren, dass es jede gewissenhafte Büglerin vor unlösbare Aufgaben stellen musste. Dazu hantierten sie mit ständig quäkenden Funkgeräten und mehreren Mobiltelefonen, deren Verdrahtung es aber nicht ganz bis ins Gehirn geschafft hat, da sie über den Ohrmuscheln hängen geblieben war. Ein Offizier raunte uns zu, dass die Prinzessin, die auf dem Rückweg vom Besuch einer Provinzschule war, inzwischen auf dem lokalen Flugfeld gelandet sei. Nun könne es wirklich nur noch Minuten dauern. Durch das Spalier ging ein Wispern und ein allerletztes Zupfen an der Garderobe. Doch einer Gruppe Touristen, die in Achselshirts und kurzen Hosen wenig Einfühlungsvermögen mit den respektsüchtigen Thais in ihren tadellosen lila Galahemden bewiesen, wurde es allmählich langweilig und sie fingen in Ermangelung besserer Motive schon mal an, sich gegenseitig selber zu knipsen.

Dann war es soweit. Die Prinzessin fuhr vor. Die Eignersfamilie machte brave Knickse und überreichte die bereit gehaltenen Aufmerksamkeiten zur Begrüßung. Dann fütterte die Prinzessin die Hunde mit vorbereiteten Knabberstangen und trat in die Hotelhalle. Augenblicks knickte das Spalier der Wartenden in Demut und Verehrung ein, während die Prinzessin zu einer aufgehängten Gongschale geleitet wurde, die sie mit einem einzigen wohl gezielten Schlag zum Schellen brachte. Hierauf drehte sie sich um und ging gemessenen Schrittes durch die wartenden Reihen, wobei sie um ein Haar den norwegischen Bildband verpasst hätte. Eilig und unter heftigem Kopfnicken verriss der norwegische Mann seine Hände zu einem etwas entgleisten Wai, während der schwer schwitzende Fotograf durch die Hotelhalle segelte wie ein hakenschlagender Hase, um unvergessliche Momente unvergessen zu machen. Hiernach begab sich die Prinzessin umgehend zu ihrem Lift und schwupps war sie auch schon verschwunden.

Nanu, was war das denn? Keine Ansprache, keine kleine Begrüßungsrede, keine Dankesadresse! Nichts? Eine weite große Hotelhalle voller Menschen, aufgereiht in zwei sich windenden Schlangen, die während ihres Vorübergehens wie lautlose La-Ola-Wellen auf und nieder schwappten, und dennoch fiel kein einziges Wort, kein einziger lauter Ton, nur das blecherne Scheppern des Hausgongs und das pelzige Husten des Bernhardiners, dem das Knabberstängelein wohl nicht genug war. Das ging alles so schnell, so routiniert und so geräuschlos vonstatten, als wäre ein Spuk vorüber gezogen. Die Menschenreihen standen noch immer wie ein festgemauerter Wall, der nicht umfallen wollte, nur einige taumelten wie traumatisiert nach vorne, auf ihren Gesichtern eine Mischung aus heiliger Verehrung und Erleichterung.


Nur allmählich normalisierte sich das Leben, und jeder ging wieder an seine Arbeit. Unauffällig verdrückte sich das Küchenpersonal, die Verwaltungsangestellten zogen sich zu einem Plausch zurück, die Touristen konnten endlich auf ihre Zimmer und die Militärs waren hungrig und belagerten die Restauranttische. Nur einige Sicherheitsposten standen stocksteif und reglos an den Türecken als hätte man ihre Füße in Beton gesteckt.

An diesem Abend blieb die hoteleigene Disko geschlossen und auf der Biergartenterrasse gab es keine Lifemusik. Unter den strengen Augen der überall herumstehenden Militärposten traute sich kein einziger Thai Platz zu nehmen, nur ein paar unverbesserliche Farang-Touristen saßen um ein paar Biere. Aber die genossen ja sowieso Narrenfreiheit.

Am nächsten Morgen kam ich gerade rechtzeitig herunter, um die Abreise der Prinzessin mitzuerleben. In der Hotelhalle lösten sich gerade die Wartereihen auf, und vor dem Eingang überreichte das Hotelmanagement nette Abschiedsgeschenke. Die Prinzessin fütterte abermals ihre Hunde, und nahm dann auf dem Rücksitz ihres schlohweissen Mercedes Platz, auf dessen Zulassungsplakette eine Zahlenreihe aus vier Achten prangte. Ebenso sanft wie lautlos drückte ein kerzengerader Militär die Autotüre ins Schloß als würde er sich genieren, die Prinzessin mit solch trivialen Geräuschen behelligen zu müssen. Hierauf verbeugte er sich, wonach die gesamte Hotelfamilie mit nach hinten unterschlagenen Beinen regelrecht zu Boden fiel, sich mit den vor der Brust zusammengelegten Händen tief verneigte und in hündischer Anbetung verharrte bis der Wagen abgefahren war.

Das sind für europäische Augen schon sehr ungewohnte Anblicke und man steht ein wenig perplex dabei. Zwar gibt es auch in westlichen Ländern Königshäuser, doch bringt man denen weder Ehrfurcht noch gar Anbetung entgegen, sondern zieht sie mit Vorliebe durch die Klatschgazetten der Presse, damit sich die Leserschaft an ihren delikaten Ungeschicklichkeiten ergötzen kann.

In unseren westlichen Ländern, in denen Gemecker und beißendes Geläster vor Autoritäten keinen Halt kennt, in denen Respektlosigkeiten aus jeder Schultüre wabern und in denen niveaulose öffentliche Bloßstellungen einen großen Teil der Unterhaltung der Menschen ausmachen, mag man solcherlei Szenen den Rang folkloristischer Aufführungen beimessen, von lediglich momenthaftem Aufmerksamkeitswert.

Wir Fremden in diesem schönen Land werden die glühende Verehrung der Thais für ihre Oberhäupter niemals teilen können. Wir mögen manche Entartungen in unseren Heimatländern verabscheuen, aber feudalistische und hierarchische Gesellschaftsstrukturen haben wir lange und aus guten Gründen hinter uns und als Zukunftsmodell taugen sie uns erst recht nichts mehr. Doch Thailand - wie man sieht – kommt mit diesem verstaubten, vertikal gegliederten Gesellschaftskonstrukt ganz gut zurecht. Hier ist der Einzelne eingestellt in eine Rangordnung, die ihm einen bindenden Platz zuweist. Seine Welt ist überschaubar. Dem Ranghöheren gebührt IMMER Respekt, und dieser wird NIE in Frage gestellt. Das mag uns fossil und angegraut anmuten, aber es führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass die Thaigesellschaft nun mal genau so und nicht anders funktioniert. Verurteilen steht uns nicht zu, zumal die feinen Thaiohren für Farang-Kritik ohnehin schon immer einen sehr zuverlässig arbeitenden Schließmechanismus gehabt haben. Was bleibt, ist das Anerkennen der doch nicht zu ändernden Tatsachen und das Üben im Verstehen.

©Paul Martini, März 2009

Samstag, 8. Mai 2010

Ein Simpel in Pattaya (1)

Ich habe die Simpel-Geschichten inzwischen als eBook herausgebracht.
Hier der Link:
http://www.xinxii.com/ein-simpel-in-pattaya-p-349491.html
Hier die Leseprobe:
http://www.xinxii.com/gratis/118543rd1388752434.pdf

Dienstag, 23. März 2010

Mit dem Stromableserboot auf dem Klong Bangkok Noi

Ein frühmorgendlicher Stimmungsbericht

(Ich stelle hier ausnahmsweise mal einen Link herein, da ich aus Zeitgründen den Blog mit Text und den vielen Bildern im Moment nicht bestücken kann. Dennoch soll es zu lesen sein.)


http://forum.thailandtip.de/index.php?topic=4972.0


oder hier

Sonntag, 14. März 2010

Der Eurobaum

Dieser Tage las ich von den gelungenen Versuchen, eine in Thailand nicht heimische Baumart aufzuziehen, deren Früchte ganze Dörfer und Landstriche zum Erblühen gebracht haben. Da dem Baum, der ursprünglich in den nebelverhangenen Klimazonen der nordwestlichen Hemisphäre heimisch ist, selbst die belastende heiße Witterung nichts auszumachen scheint, findet man ihn sowohl in den tropischen Küstengegenden des Landes als auch in den trockenheißen Staubzonen des nordöstlichen Isaans. Das anspruchslose Gewächs, das sowohl der heißen Thaisonne trotzt, als auch problemlos die wasserarmen Dürremonate übersteht, ist nicht nur leicht aufzuziehen, sondern kennt vor allem keinerlei Fruchtbarkeitszyklen.

Die einheimische Bevölkerung hat den ertragreichen Nutzen des Bäumchens schnell erkannt und insbesondere die jungen weiblichen Landeskinder entwickelten ein großes Gespür im Auffinden der noch frischen, von den ausländischen Reisenden eingeschleppten Pflänzchen, die in Windeseile heranwachsen. Die Rede ist von dem Eurobaum. Botanisch zählt der Baum zur Gattung der Schnellkeimer, da während nächtlicher Reifungsvorgänge seine Knospen austreiben und er bereits bis zum Morgen hin pflückbereite, reife Früchte entwickelt hat, an denen sich seine Besitzer laben können.

Ich persönlich habe ihn jedoch nie sehen noch fotografieren können, weshalb ich an sein Vorkommen schon gar nicht mehr glaube. Nur die geistergläubigen Thais verblüffen mich mit unerwartetem Pragmatismus: Solange sie seine Früchte genießen könnten, wäre es ihnen egal, ob es ihn gäbe.

Samstag, 13. März 2010

Im Paradies auf Erden (3)

Nachzutragen bleibt, daß das traumhafte Condo am Meer unserem Mr. Blondhaar kein Glück bescherte. Lange Zeit gelang es ihm nicht, eine passable Freundin für sein Leben zu finden. Die Frauen – ausnahmslos Chatbekanntschaften – kamen von weither, zogen zu ihm und zogen bald wieder aus. Die Ursache war schnell gefunden. Es lag an der unzureichenden Sprachverständigung. Statt selber Thai zu lernen, schickte er seine Freundinnen zu Englischkursen. Doch wenn zwei Menschen gezwungen sind, sich in einer fremden Sprache miteinander zu verständigen, ist es kaum möglich, die Mentalität des jeweils anderen verstehen und kennen zu lernen. So entging ihm, daß Thais Familienmenschen sind und Abkapselungen in einem fernen Wolkenkuckucksheim nur zeitweilig ertragen. Seine westlich geprägte Idee von einem trauten Leben zu zweit musste schief gehen.

Mr. Blondhaar wurde immer ruheloser, niedergeschlagener und trauriger. Nichts wollte ihm gelingen, und von einem Paradies auf Erden sprach er nicht mehr. Richtige Ausländerfreunde hatte er nicht und die Frauenbekanntschaften entwickelten sich unbefriedigend. Zunehmend wurde ihm langweilig. Er sah ein, daß Baden im Meer und lange Strandspaziergänge zu wenig waren, um einen langen Tag auszufüllen. Und auch die einsamen Nächte hatte er sich ganz anders vorgestellt. Doch statt sich für das erregende Thaileben zu öffnen, zog er sich immer mehr zurück. Weder kaufte er ein Auto noch ein Fahrrad und auch die schwungvoll angekündigten Entdeckungsreisen durchs Land blieben aus. Mr. Blondhaar befand sich in einer Krise.

Dann geschah es, daß er eine ziemlich junge Frau aus dem Internet fischte, und mit ihr machte er eine phänomenale Erfahrung. Er verliebte sich so besinnungslos, daß er alles andere um sich herum als zweitrangig ansah. Händchen haltend sah man ihn über die Straße laufen mit seinem neuen Glück. Er hatte keinen Blick mehr für alte Bekannte, zu sehr war er gefangen in seiner neuen Liebe. Doch auch diese neue Freundin fand keinen Gefallen an dem fremden Leben in Hua Hin mit einem unbekannten Ausländer. Sie wollte in der Nähe ihrer Familie wohnen. Aber dies stand Mr. Blondhaar nun nicht mehr im Weg. Sie zogen beide weg. Das Condo steht nunmehr zum Verkauf. Er hat kaum ein Jahr darin gewohnt.

©Paul Martini, Dez. 2009


Montag, 8. März 2010

Im Paradies auf Erden (2)

Geschäftlich musste die Lady bald wieder nach Bangkok zurückkehren und ihren Goldjungen in dem einsamen Condo am Meer zurücklassen, doch standen ihr ja alle modernen telekommunikativen Kontakteinrichtungen zur Verfügung, um ein Mindestmaß an Überwachung aufrechtzuerhalten. So registrierte sie begeistert, dass Mr. Blondhaar im Überschwange seines Thailandtaumels mit der Zeit löbliche Ideen für eine Sesshaftwerdung entwickelte und im Zuge dessen mit dem Erwerb eines eigenen Condos liebäugelte. Ja, er nahm sogar eigenständig Kontakt zu einem Immobilienagenten auf und besichtigte in dessen Beisein verschiedene zum Verkauf stehende Condos. Nur als der nordische Kauffantast während telefonseliger Gesprächsrunden auch noch davon faselte, dass er sich praktisch schon für ein spezielles Condo entschieden hätte, war es für die Cybermime höchste Eisenbahn zurückzukehren, um die außer Kontrolle zu geratenen Geschicke durch ihr beherztes Eingreifen in die rechten Bahnen zu lenken.

Der Immobilienagent – ein junger Kerl, der fließend englisch sprach – hatte ein geräumiges Condo im zweiten Stock der Anlage für einen Kaufpreis von 6,3 Mio. Baht offeriert, in dem nicht nur die Umschreibungskosten und die Steuer, sondern auch sämtliche Möbel und Einrichtungsgegenstände enthalten waren. Mr. Blondhaar monierte zwar, dass man aus dem zweiten Stock den Blick aufs Meer vermissen würde, doch signalisierte er starke und nachhaltige Kaufbereitschaft, da er den Kaufpreis für eine günstige Offerte hielt. Die flugs herbeigeeilte Chatlady fand den nicht vorhandenen Meeresblick ebenfalls äußert misslich und wusste darüber hinaus mit beiläufigen Andeutungen auf mögliche Unzuverlässigkeiten während des Übertragungsprozesses raffiniert die Integrität des Immobilienburschen zu erschüttern, was den nordischen Investor in große Unsicherheit stürzte.

Doch überraschenderweise und selbstverständlich völlig zufällig erinnerte sich die versierte Businessdame an ein wohlfeiles Condo einer Freundin im 10. Stock der selbem Anlage, das nicht nur hinsichtlich der Ausstattung mehr zu bieten hatte, sondern auch noch einen sichtschutzfreien Meeresblick bot. So ein Zufall! So ein Glücksfall aber auch! Der nordische Mann war außer sich vor Freude und deutete die vielen wundersamen Geschehnisse als naturgegebene Fügungen dieses faszinierenden Wunderlandes und nahm auch den um mehr als eine ganze Million Baht teureren Kaufpreis gelassen hin. Geld als Entscheidungskriterium war ihm ja ohnehin nicht mehr im Wege. So besichtigte er nach einer von ihr vorbereiteten Kontaktaufnahme das Condo und traf sich mit dem Eigentümer. Inzwischen stehen die Kaufverhandlungen vor sehr konkreten Vertragsentwürfen und die Anzahlungsleistungen stehen ebenfalls unmittelbar bevor. Womit endlich alle zufrieden wären, besonders die gerissene Chatlady, die aus dieser anfangs sich wenig ersprießlich entwickelnden Beziehung doch noch kräftig Honig saugen konnte. 3 Prozent von 7,5 Millionen Baht macht immerhin 225 000 Baht, ein schönes Sümmchen, für das sie noch viele Jahre Telefonkarten hätte verkaufen müssen.

Mr. Blondhaar ist inzwischen nun schon ganze 2 Wochen hier und noch immer im Wonnetaumel. Er sei im Paradies aufgewacht, beteuert er immer wieder. Hier will er wohnen, aufs Meer hinaus gucken und sich eine neue, ansehnlichere Gespielin suchen. Er will sich ein Auto kaufen, die Sprache lernen und sein Leben in vollen Zügen genießen. Doch zunächst fliegt er wieder zurück ins nordische Land, wo er sein Appartement vermieten und seinen Hausstand auflösen will, und wo er seiner 85jährigen Mutter, der er zeitlebens beigestanden hat, beibringen muß, welche Pläne er hegt. Das wird der schwerste Gang.

Ein Leben im Paradies. Ach, wenn es nur so wäre! Wir kaufen uns einfach ein Teil vom Paradies und sind bis ans Ende unseres Lebens nur noch glücklich. Wäre das nicht wunderbar? Thailand ist ein tolles Reiseland und es kann Erstbesuchern schon mal die Sinne verdrehen. Das kennen wir. Insofern empfinden wir Verständnis. Doch das Paradies auf Erden ist auch in Thailand nur eine irrlichternde Halluzination. Und wenn hier wirklich mal kleine Träume wahr geworden sind, dann ist man vorher mit großen gelandet.

©Paul Martini, Sept. 2008

Sonntag, 7. März 2010

Im Paradies auf Erden (1)

Am Pool kamen wir uns näher. Der nordische Mann und ich. Ich wollte meinen Gedanken nachhängen, aber das ging nun nicht mehr, denn Mr. Blondhaar, so nennen wir ihn mal, der in der tadellos gepflegten Condo-Anlage am Meer wohnte, brauchte Unterhaltung. Er war nun schon eine Woche in Thailand und des Lobes voll. Die Wärme, das tägliche Bad im Meer und der überaus entbehrliche nordische Kleidercode – wie hatte er das sechzig lange Jahre vermisst!!! Mr. Blondhaar war noch nie zuvor in Thailand gewesen, und inzwischen kommt es ihm vor, als sei er hier in einem Traum aufgewacht, von dem er schon lange nicht mehr glaubte, dass er in diesem Leben noch einmal Wirklichkeit werden könne.

Zu verdanken hatte er dies alles einer glücklich gefügten Chat-Bekanntschaft aus dem Cybernet, wo eine junge Frau aus dem tropischen Wohlfühlland solch magischen Charme versprüht haben muß, dass es ihn magnetisch in den Bann schlug, und er fürbaß seinen Koffer packte und gen Thailand reiste. Hier fiel er in kein schwarzes Loch, denn am Flughafen erwartete ihn die heiße Chatbraut samt eigenem Auto und fuhr ihn schnurstracks in jenes Holiday-Domizil am Meer, wo sie ihn für die lächerliche Monatsmiete von 35 000 Baht in einem jener fabelhaften Condos unterbrachte.

Die bestrickende Cybercirce entpuppte sich indessen als gewiefte Geschäftsfrau mit eigenem Business, die über ihr Handy Telefonkarten verkaufte, womit sie offenbar recht erfolgreich war. Ferner stellte sich heraus, dass die Dame nicht nur clevere Geschäfte übers Telefon abwickeln konnte, sondern es auch verstand, vorteilhafte Eigenfotografien zu fabrizieren, die die weniger pässlichen Seiten der Physiognomie galant ausblendeten. Das mag in der irrealen Cyberwelt noch dahin gehen, doch spätestens, wenn man sich beim realen Showdown Aug in Aug gegenübersteht, haben alle süßen Täuschungsmanöver ausgespielt. Glücklicherweise hatte Mr. Blondhaar keine Tomaten auf den Augen und entdeckte den charmanten Schmu sogleich. Des Weiteren verfügte er auch noch über die aus der nordisch klaren Logikwelt herübergerettete, unverfälschte Urteilskraft und teilte der smarten Chatkollegin etwas sehr unthailändisch seine unverhohlene Meinung mit. Hiernach war klar, dass die Bewerberin aus dem Rennen war, denn eine schiefe Nase und eine schmerzhafte und fortdauernde Krebserkrankung im Genitalbereich waren doch des Guten zu viel für ihn. Er wollte seinen Spaß haben und keinen Samariter spielen.

Die Lady, die wegen des blatanten Gesichtsverlusts nur schwer die Contenance halten konnte, berappelte sich dennoch schnell, was seine guten Gründe hatte. Hatte sie doch nicht nur ein glückliches Händchen bei ihren Geschäften, sondern auch einen ausgesprochen feinfühligen Geruchssinn für das verführerische Bukett von großem Geld! Drum steckte sie es anstandslos weg, als unbegehrte Liebespartnerin ausgeschieden zu sein, schließlich winkten höhere „Ziele“. Weiterhin hielt sie sich in seiner Nähe auf, zumal konkurrierende Anwärterinnen auf den Liebesposten vorerst ohnehin nicht auszumachen waren. Dabei verstand sie es geschickt, durch unauffällige Telefonanrufe ein unsichtbares Fang- und Spionagenetz über den unbedarften Mr. Blondhaar zu werfen, welches jener allerdings als Ausweis von guter Freundschaft missdeutete.

Der nordische Mann im Thaiparadies war nicht unvermögend. Zeitlebens war er ein einfacher Mensch gewesen, bis er begann, hobbyweise eine Webseite zu entwickeln, die über die Jahre eine außerordentlich vielzählige und beständige Fangemeinde anzog. Angeblich verfolgte er nie die Absicht, daraus Profit zu schlagen und war daher auch – wie er sagte - reichlich verdutzt, als ein namhafter Verlag Interesse an seiner Arbeit anmeldete. Tatsächlich wurde man sich nach einigem Hin und Her handelseinig und er konnte seinen Webauftritt für eine traumhafte Summe verkaufen, die ihm für den Rest seines Lebens ein sorgenfreies Leben gestattete.

Im Paradies auf Erden (2)

Im Paradies auf Erden (3)

Freitag, 19. Februar 2010

Welcome Farang (3)

Seid ihr noch bei der Sache?

Seid ihr bereit für einen zweiten Angriff?

Hier kommen die nächsten 10 Testfragen:


11. Was ist ein Wat?

a. Ein Sanatorium für gescheiterte Künstler und schwer resozialisierbare Arbeitslose.

b. Eine biologische Kompostierungsanlage für hochgradig infektiöse Haustiere.

c. Eine Sondermüllverbrennungsstation für nicht recycelbare
anthropomorphe Rückstände.



12. Was ist ein Tilak?

a. Eine Gewichtseinheit für Goldketten.

b. Fips, der Affe.

c. Ein verruchtes Frauenzimmer, das sich in halbdunklen Billardsalons
herumtreibt und sich von Würmern, Käfern und Heuschrecken
ernährt.



13. Warum gibt es in Thailand so viele Karaoke-Bars

a. Drogen- und Waffengeschäfte sollen von der Straße weg verlagert werden.

b. Es handelt sich um kommunale Zufluchtshäuser, wo speziell geschulte Betschwestern in drolligen Halskrausen für gepeinigte und mißhandelte Thaiehemänner interkonfessionelle Abendmahlandachten abhalten und stimulierende Weihetränke verabreichen.

c. Es handelt sich um die südostasiatischen Auslandsfilialen einer Start-up-Gründung der Bremer Stadtmusikanten, die dynamische Schreilehrgänge für autistische Langsammotoriker und narzisstisch veranlagte Schwerhörige anbieten und auf gruppendynamischen Gebärdenparties sonderpädagogische Flirtanleitungen für schwerbeschädigte TV-Invaliden und halbkomatöse Couch-Potatoes vermitteln.


14. Ergänzen Sie folgenden Satz, so daß er sich reimt:
Bei Ginkhao und Sabei…

a. …lieb ich die Fräuleins schulterfrei.

b. …da ist mir keine einerlei.

c. …da fühl ich mich als rechter Thai.




15. Was ist ein Katoy

a. Ein Anhänger einer sektiererischen Bruderschaft in ziemlich coolen Klamotten.

b. Das thailändische Wappentier.

c. Ein gefühlsresistenter Multifunktionsroboter mit Payment-Sondermodul und regelbarem Libido-Output. Nach Guthabentransfer, kann man sich über seinen berührungsempfindlichen Touch Screen passwortfrei einloggen und die Serviceleistungen in beliebiger Reihenfolge abrufen.


16. Wieviel Promille sind in Thailand erlaubt?

a. Es gibt keine Promille in Thailand, nur Prozente.

b. In Thailand ist alles erlaubt. Sogar das Gegenteil.

c. Die Polizei errechnet ihre Promille mit einem sogenannten Bahtographen. Dies ist ein praktisches Schnellleseverfahren, mit dem die jeweiligen Werteinheiten in Tausenderschritten berührungsfrei abgescannt werden können.


17. Was ist ein Farang?

a. Ein katholischer Feiertag für Auslandsdeutsche, aber nur in manchen Blaudachgemeinden im unzugänglichen Nordosten von Thailand.

b. Ein sendungsbewußter Teilzeitpfadfinder mit archaischen Bindungsvorstellungen.

c. Ein sagenkundlich einzigartiges Fabelwesen mit weißer Haut, einer langen Nase und einer gutartigen, einseitigen Gesäßbackengeschwulst. Es kommt endemisch nur jenseits der Thaigrenzen vor. Es liebt weite Muskelshirts, ernährt sich vorzugsweise von Flaschenbier und kennt keine Schamkultur.



18. Warum wird ein Thai nie ein guter Farang werden?

a. An dem Gourmettest im Käseladen mit vollreifem Romadour und deftigem Harzer Roller mit Zwiebelringen ist er bisher immer gescheitert.

b. Die Geister sind dagegen, und die haben das letzte Wort.

c. Er hat es versucht. Doch nachdem er sich mit Streuselkuchen und Schlagsahne eingerieben hatte, wurde die Haut immer noch nicht weiß. Und bei Handkäs mit Musik konnte man ja gar nicht mitsingen!



19. Was ist ein vorbildlicher Thai?

a. Er singt die Nationalhymne nur in tadelloser Uniform, und er hat einen dicken Freund bei der Polizei.

b. Er verehrt den König, gehorcht Buddha, aber kennt nur sich selbst.

c. Er fährt einen kreditfinanzierten Lexus, wohnt in einem kreditfinanzierten Haus, guckt in einen kreditfinanzierten 65 Zoll LCD-Screen und bringt nebenbei das Kunststück fertig, eine oder mehrere Mia-Nois (Nebenfrauen) auf kreditfinanzierter Guthabenbasis durchzufüttern.




20. Warum ist ein Thai so clever?

a. Er weiß morgens schon aus dem Comicheft wie abends die Kreisch-Soap im Fernsehen ausgeht.

b. Wer in kurzen Schlafanzugshosen, mit Flip-Flops an den Füßen, schweren Amulettenketten um den Hals, einem Mobiltelefon am Ohr, einem freihändig auf den Schultern stehenden einjährigen Knirps, mit 5 Flaschen Chang Bier am Lenker, ohne Helm auf dem Kopf, zu fünft auf einem 70 Sachen schnellen Moped in der Kurve einen langsamen Laster in Gegenrichtung überholt, kann nur ein einmaliges artistisches Naturtalent sein.

c. Ich breche den Test jetzt ab. Das schaffe ich niemals.



Für Nichtthais:

Wat = Tempel
Tilak = Geliebte
Ginkhao = essen (eigentl. Reis essen)
Sabai = wohlfühlen (ganz wichtig für Thais!)
Katoy = Ladyman (Männer, die gerne Frauen sein möchten)
Baht = Landeswährung
Farang = weißhäutiger Ausländer





©Paul Martini, Sept. 2009


Donnerstag, 18. Februar 2010

Welcome Farang (2)

Hier nun die ersten 10 Testfragen:




1. Wie schreibt man Thailand richtig?

a. Deiland

b. Dayland

c. Teilland


2. Wie heißt der thailändische Gruß?

a. Halt die Klapp

b. Papperlapapp

c. Sawadi, du Kapp



3. Welches ist das thailändische Nationalgericht?

a. Hock Dumm Rum

b. Guck Der Dumm

c. Tom Yam Gung


4. Was ist der Isaan?

a. Das trinkt der Thai mit Eis und Strohhalm.

b. Feiern bis die Schwarte kracht.

c. Isaan ist ein Natur belassener Landstrich im Nordosten des Landes, wo mit kontrolliert biologischen Landbaumethoden in einer Reihe von Kultivierungsbetrieben das beste junge Gemüse Thailands angebaut wird.


5. Gibt es einen Plural von Sanuk?

a. Ja, Sanuk gibt es gar nicht alleine.

b. Nein, in der Mehrzahl ist er nicht auszuhalten.

c. So bezeichnet man den Zustand, wenn der Thai 10 Whiskyflaschen vor sich sieht, 8 bezahlt, aber nur 4 getrunken hat.



6. Gibt es in Thailand einen Kaiser?

a. Ja, aber er heißt nicht Hamburg-Mannheimer.

b. Nein, Geyser kommen in Thailand nicht vor.

c. Buddha regiert ohne Handlanger.



7. Was heißt Karaoke?

a. Es handelt sich um einen Initiationsritus von psychedelisch berauschten Halbstarken, die Musik fälschlicherweise als Droge konsumieren.

b. Es handelt sich um einen zeremoniellen Brauchtumstanz junger einheimischer Mädchen in hohen Stiefeln, die ihre Fruchtbarkeit zur Schau stellen wollen.

c. Es handelt sich um die reziproke Rauminhaltsmessung einer mittelintrapulsiven Thaibar mit varianten Diamentralpunkten, bei der die homomorphe Sinusschwingung größer als 120 Mikropascal ist, jedoch kleiner als die breitbandige Blindmodulation vergleichbarer thailändischer Innenräume wie z. B einem Klassenzimmer.


8. Wer ist der berühmteste Thai?

a. Plisch und Plum

b. Nie gehört.

c. Gibt es den?


9. Gibt es in Thailand eine Umwelt?

a. Ja, aber nur wenn’s dunkel ist.

b. Nein, sie ist abgeschafft.

c. In einem Land, wo Männer keine Bärte tragen, wundert mich gar nichts mehr.



10. Warum ist in Thailand die Prostitution verboten?

a. Sie ist nicht verboten. Das fehlte noch!

b. Der Thai ist für die Prostitution nicht geeignet. Er rutscht ja schon beim Wichsen ständig ab.

c. Prostitution zerstört die Blut-Hirn-Schranke im Gehirn und führt in der Folge zu cerebralen Buat-Huatomen mit starken Erschöpfungserscheinungen. Sie sind begleitet von der hartnäckigen und schwer behandelbaren lateralsklerotischen Hyperkikiatizitis, die immer chronisch verläuft und zu häufigen Rezidiven führt. Die Patienten werden maulfaul und stumpfen ab und der heute einzig bekannte Therapieerfolg besteht darin, sie dauerhaft mit Televisionsstrahlen zu behandeln, die auch nachts nicht abgeschaltet werden dürfen.

Für Nichtthais:
Buat Hua = Kopfschmerzen
Ki kiat = Faulheit
Isaan = nordöstlicher Landesteil aus dem die meisten Bargirls kommen

Mittwoch, 17. Februar 2010

Welcome Farang (1)

Liebe Freunde - Aufgepaßt!

Im Januar 2008 kamen über 1 Mio. Touristen nach Thailand. Doch seither sind die Ankunftszahlen unter Schwankungen um rund 40% eingebrochen. Im Monat Juli 2009 kamen nur noch 642.732 Besucher ins Land. Und der Trend ist trotz massiver Werbemassnahmen der thailändischen Tourismusbehörde (TAT) ungebrochen. Diese Situation hat in dem Land zu massiven negativen Auswirkungen geführt. Die Arbeitslosenzahlen sind weiterhin steigend, die Leerstände von Geschäftsimmobilien in den touristischen Zentren nehmen weiter zu und die Lage am Markt für Wohnimmobilien ist geprägt von einem Überangebot von unverkäuflichen Objekten.

Da diese Entwicklung nicht so leicht umzukehren ist, hat man sich nun der bereits im Land lebenden Ausländer erinnert, die ja eine beträchtliche Stütze der lokalen Infrastruktur und des Wirtschaftslebens darstellen. Auch mit Blick auf die Nachbarländer, wo Ausländer vorteilhaftere Ansiedlungs- und Lebensbedingungen vorfinden, will die Regierung nun einen rigorosen Schritt nach vorne machen und hat eine Reihe von Vorzugsregelungen ins Leben gerufen, die das thailändische Ausländerrecht freundlicher gestalten sollen. So ist u. a. beabsichtigt, das Visaverfahren weitgehend zu verschlanken und auch bei den Eigentumsgesetzen Erleichterungen einzuführen. Mit solcherlei Maßnahmen, beabsichtigt die Regierung, die bereits ansässigen Fremden weiterhin im Land zu halten und einen Anreiz zu vermehrtem Konsum zu geben. Die Vorzugskonditionen beinhalten im Einzelnen ein kostenfreies Einbürgerungsangebot auf Lebenszeit, sowie Vorteile beim Grundstückserwerb.

Mit dem Angebot für eine kostenfreie und zeitlich unbegrenzte Einbürgerung in den Thaistaat, entfällt künftighin der umständliche und schwer zu durchschauende Hürdenlauf der jetzigen Visapraxis, der für ältere Antragsteller häufig sehr belastend war. Der Ausländer wird nun rechtlich wie ein Thai behandelt. Er darf auf seinen Namen Geschäfte und Bankkonten eröffnen und kann Eigentümer von Grundstücken werden, die die Größe von einem Rai (1600 qm) nicht überschreiten. Auch der Grundstückshandel ist dem Ausländer erlaubt, sofern er ihn bei den Gewerbebehörden und dem Finanzamt vorher angemeldet hat.

Der Ausländer bleibt weiterhin im Besitz seines Herkunftspasses, doch bleibt er vom allgemeinen Wahlrecht ausgeschlossen. Voraussetzung zur Erlangung dieser Einbürgerungsoption ist der Nachweis laufender gesicherter Einkünfte bzw. die Vorlage eines Business-Plans sowie ergänzend die erfolgreiche Teilnahme an einem abzuleistenden Einbürgerungstest, der landesweit in den jeweiligen Immigrationsämtern durchgeführt werden soll. Die Aktion läuft unter dem anwerbefreundlichen Förder-Codewort „Welcome Farang“ und die Einzelheiten der Neuerungen werden in den nächsten Tagen in einer regierungsamtlichen Veröffentlichung bekannt gegeben.

Zu diesem Zweck ist mir als geprüftem Übersetzer von der Fremdsprachenabteilung der Einwanderungsbehörde der in Aussicht stehende Text des Einbürgerungstests zugegangen, damit er im Hinblick auf seine sprachliche Korrektheit überprüft werden kann.

Die heutige Vorabveröffentlichung des Rohentwurfs der 20 Einbürgerungsfragen soll dazu dienen, den Test im Hinblick auf etwaig unverständlich erscheinende Passagen oder sonstige schwer verstehbare Auffälligkeiten zur Lesekontrolle vorzustellen. Ziel ist es, eine breite Verständlichkeitsbasis zu gewährleisten, damit auch ältere und fremdsprachlich wenig versierte Einbürgerungswillige nicht von vornherein an sprachlichen Hürden scheitern. Sollten also vereinzelt Verstehensprobleme auftreten, so bitte ich um entsprechende Rückmeldung, damit sie noch rechtzeitig behoben werden kann.

Vorsorglich möchte ich darauf hinweisen, dass die Testfragen keinesfalls bereits jetzt und ohne die üblicherweise mitgelieferten Anleitungshinweise beantwortet werden sollten, da die für die Prüfung der Prüfungsergebnisse zuständigen Prüfer der Regierung die Überprüfung des Prüfverfahrens noch nicht abschließend überprüft haben.

Seid ihr bereit?

Welcome Farang (2)

Welcome Farang (3)


(c)Paul Martini, Sept. 2009

Sonntag, 14. Februar 2010

Der Geist der alten Thailehrerin (9)

Teil 9, Neues Leben

Die Geister der alten Thailehrerin und von Nui kehrten zurück zu ihrem luftigen Rastquartier in dem alten Tamarindenbaum. Hier fühlten sie sich geborgen und gut aufgehoben. Versteckt vor der Welt der Menschen, die ja doch nur dumme Eskapaden aneinanderreihten und nichts dazulernen wollten, konnten sie hier von ihren Streifzügen ausspannen und ihren eigenen Gedanken nachhängen. In der Zwischenzeit hatten die Thais aus der Nachbarschaft von ihrem Wohnsitz Wind bekommen und kamen gelegentlich vorbei, um die beiden Baumgeister zu verehren. Sie schlangen farbige Tücher um den mächtigen Stamm des Tamarindenbaums und legten ausgediente Geisterhäuschen zu seinen Wurzeln ab, in denen die alten Hausgeister noch immer wohnten.

Für den Geist der alten Thailehrerin begann nun bald eine aufregende Zeit, denn es stand eine neue Einkörperung bevor. Diesmal sollte sie in den Körper eines Mischlingskindes fahren, einem „Luuk krüng“, wie die Thais es nannten, einem Halbkind. Dem Geist war es recht. Sehr recht sogar. Denn mit einem Farangvater war eine verantwortungsvolle Betreuung und Ausbildung zu erwarten, womit Aussicht auf ein gutes Leben bestand. Zumal es auch ein Mädchen war! Denn Mädchen lernen in der Thaigesellschaft von Kindesbeinen an, daß sie gehorchen müssen und Pflichten zu übernehmen haben. So war er es zufrieden.

Ende

Dienstag, 9. Februar 2010

Der Geist der alten Thailehrerin (8)

Teil 8, Ende der Qual

So nahmen die Qualen und Anspannungen ständig zu und fanden ihren vorläufigen Höhepunkt als Jürgen abends zu seinem Essen kein Bier vorfand. Er fuhr sie an, daß sie eine elende dumme Gans sei, faul, fernsehabhängig und unfähig, ihrem Mann zum Essen ein Bier zu besorgen, womit er ihr das Essen samt Teller vor die Füße warf, dass es nur so spritzte. Dann stand er auf und ging hinaus. Mit lautem Krachen warf er die Tür ins Schloss und verschwand zu seinen Kumpels in die Kneipe. Das war zuviel für Mäo, sie hatte keinen Platz mehr für all die Bedrängungen, für all den Druck von allen Seiten. Alles hatte sie ohne Murren ertragen für das eine höhere Ziel, dem Ehemann stets eine gute und treusorgende Frau zu sein wie sie es von der Mutter gelernt hatte, doch jetzt brach diese letzte Stütze auch noch weg. Wo hatte sie noch Rückhalt, wem konnte sie ihre waidwunde Seele ausbreiten? Sie fühlte sich kraftlos und leer, entwurzelt und ganz unendlich allein. Keine Freundin weit und breit, der sie sich anvertrauen konnte, und die alte Heimat war auch nur an Erfolgsgeschichten interessiert und wollte kein Lamento hören. Verzweifelt dachte sie daran, nach Thailand zurück zu fliegen, doch verwarf sie diesen Gedanken schnell. Auf Rückkehrflüchtlinge mit leeren Taschen wartet dort niemand. So sah sie nur einen Ausweg. Sie streifte ihren Schmuck ab und nahm ihren Mantel vom Haken und ging in die nahe Grünanlage.

Der Teich lag ruhig und glänzte mattschwarz, und nur in Ufernähe zogen einige Entenpaare ihre bedächtigen Runden. Das Wasser war kalt und kroch ihr langsam den Leib hoch. Rasch nahm der weite Mantel das Wasser auf und zog sie sanft hinunter. Ihr letzter Gedanke war Freude und Stolz. Endlich konnte sie triumphieren. Sie wusste, es musste gelingen, denn sie konnte nicht schwimmen. Von Ferne hörte sie noch die Glocken des nahen Kirchturms zur Abendstunde schlagen, als im Gurgeln des Wassers ihr Kopf untertauchte und sie aufhörte, sich zu wehren.

Die Geister der alten Thailehrerin und Nui, die Mäo auf ihrem langen Weg in ihren aus Unwissenheit und Überheblichkeit gezimmerten goldenen Kerker begleitet hatten, saßen schweigend am Ufer. Geister sind keine Lebensretter, sie mischen sich nicht ein. Die Menschen entscheiden selber, was sie tun, und können nicht darauf hoffen, daß Geister sie heraushauen. Zwar sehen Geister mehr, aber sie bleiben unbeteiligte Beobachter. Sie sehen, daß Menschen viele dumme Dinge tun, daß sie viele unnütze Fehler machen und daß ihre Gefühle sie oft in die Irre führen. Aber das gehört zum Menschsein. Geister sind wissend und erfahren, aber sie bleiben neutral und übernehmen keine Führung. Die Menschen müssen ihr Leben alleine gestalten und den Kampf mit ihren Entscheidungen und Fehlentscheidungen alleine ausfechten. Dies ist ein Teil ihres Lebenssinns.

Mäo, die mit hängendem Kopf im Wasser trieb, hatte keine Chance. Das Wasser war zu seicht zum Ertrinken, selbst für eine Nichtschwimmerin. Sie musste am Leben bleiben. Aus ihrer Sicht ein weiterer Misserfolg. Ein Spaziergänger hatte sie an Land gezogen und ihr den Kopf ins Gras gedrückt, bis sie alles Wasser ausgespuckt hatte. Dann drehte er sie herum und fragte sie, wie es ihr ginge, doch Mäo starrte mit großen offenen Augen geradewegs in das Stückchen aufgeklappten Himmel zwischen den Zweigen, und dachte nur „Warum“.

Als Jürgen sie in der Psychiatrie besuchte, saß sie wie ein gehetztes Tier auf dem Bett und guckte mit angstvollen Blicken zur Tür. Sie hatte einen weiteren Entschluß gefasst, und den teilte sie Jürgen auch mit. Sie wollte zurück nach Thailand. Und zwar sofort. Jürgen war verbittert, sah aber ein, dass sie hier in Deutschland nicht glücklich werden würde. So willigte er ein. Er ließ die Scheidungspapiere von einem Anwalt vorbereiten, die sie alle blind unterzeichnete, und zwei Tage später brachte er sie zum Flieger. Er hat nie wieder von ihr gehört.

Der Geist der alten Thailehrerin (7)

Teil 7, Die deutsche Hölle

In den letzten vier Wochen war sie durch eine Hölle gegangen und es schien einfach kein Ende zu nehmen. Zu Hause in ihrem Dorf im Isaan hielten sie sie alle für eine „Madame“, weil sie doch einen „Farang“ geheiratet hatte und nun mit ihm in ein besseres und bequemeres Leben entschwinden konnte. Doch keiner hatte Mäo auch nur im Ansatz darauf vorbereitet, was wirklich auf sie zukommen würde. Mit dem kalten Wetter, dem Regen und dem garstigen Wind kam sie schon klar. Die kartoffellastige Kost war gewöhnungsbedürftig, aber so lange sie sich in der Küche ihren Somtam zusammenklöppeln durfte, konnte sie damit leben. Viel schlimmer wog, dass sie keine Freunde hatte, dass sie die fremde Sprache nicht verstand, dass überall Türen geschlossen waren und dass man mit dem Moped nicht zum Einkaufen fahren konnte. Hinzu kamen die völlig merkwürdigen deutschen Lebensweisen. In Thailand gab man niemandem zur Begrüßung die Hand wie man Körperberührungen jeglicher Art sorgsamst vermied, und wenn man nach ein paar Einkäufen irgendwo einen Laden verließ, so war es der Sitte genug getan, wenn man seine Plastiktüten zusammenraffte und sich wortlos verdrückte. Kein „bye, bye“, kein „Auf Wiedersehen“ war vonnöten.

Es hieß die Menschen in Deutschland seien herzlich und anteilnehmend. Doch Mäo gewann eher den Eindruck, dass sie es mit mißvergnügten, nörgelnden Miesmachern zu tun hatte, deren größter gesellschaftlicher Sport, das Aufspüren der Fehler von anderen zu sein schien, die man jenen auch umgehend genüsslich unter die Nase rieb. War sie es aus Thailand gewohnt, seinen Mitmenschen in geradezu übertriebener Angst nur ja keinen Gesichtsverlust zuzufügen, so fand man hier überhaupt nichts dabei, andere öffentlich bloßzustellen und sie mit Kritik zu überhäufen.

Alles war so verflucht umständlich. Man benutzte das Auto oder öffentliche Verkehrsmittel wie Busse und Bahnen, aber kein Taxi. Sie konnte sich noch gut an das Wutgeheul ihres Mannes erinnern, als sie anfangs zum Einkaufen das Taxi benutzte und ihm darüber eine Rechnung über 50 Euro präsentierte. Viele Leute benutzten ein Fahrrad oder gingen weite Strecken zu Fuß, aber mit einem Fahrrad traute sie sich nicht in den fremden Verkehr, und zu Fuß laufen oder spazieren gehen hatte sie ja nie gelernt. Das tut doch niemand bei 34 Grad im Schatten! Jürgen hatte versucht, eine Arbeit für sie zu finden, doch ohne Deutschkenntnisse gab es keine Arbeit. Zwar hätte sie in einer Hotelgroßküche für 4 Euro die Stunde Geschirr spülen können, doch eine solch beleidigende Arbeit empfand sie als „Madame“ unerhört und unzumutbar und lehnte sie ab. Zwar konnte sie weder eine Berufsausbildung noch Berufserfahrung für irgendeinen Beruf vorweisen, doch war dies in ihren Augen auch völlig überflüssig. Schließlich war sie durch die Heirat mit ihrem ausländischen Ehemann bereits zu einem höheren Status aufgestiegen, was schließlich in Thailand allemal ausreichte, überhaupt nicht mehr zu arbeiten zu müssen.

In Thailand hatte Jürgen ihr von ihrem eigenen kleinen Thai-Imbiß vorgeschwärmt, den er ihr einrichten wollte und in dem sie selber Chefin sein könnte, doch in Deutschland zerplatzten diese schönen Vorstellungen wie Seifenblasen. Da sie in Thailand immer in guten Restaurants zum essen gegangen waren, war es Jürgen überhaupt nicht aufgefallen, dass sie eine absolut lausige Köchin war. Wie hätte sie denn in ihrem Isaan-Dorf auch kochen lernen sollen bei Somtam, Grillhuhn und Klebreis alle Tage?

So saß sie tagelang einsam zu Hause. Ihr war kalt und sie fror trotz aufgedrehter Heizung. Da ihr alles fremd war, reagierte sie mit Angst und Abwehr auf die ungewohnte Lebenssituation. Ständig hatte sie schweißnasse, kalte Hände und Füße. Sie guckte tagelang das fremdartige TV-Programm rauf und runter, das sie ebenso wenig verstand wie das Radio oder die Zeitung oder ein Journal, in dem sie lustlos den Bildern hinterher blätterte. Da man ihr während ihrer Kinderjahre in einer unseligen Thaischule schon früh jegliche Eigeninitiative und Lernmotivation gründlich ausgetrieben hatte, hatte sie auch nie gelernt, selber etwas zu erlernen, weshalb sie auch nicht auf die Idee kam, ihre reichliche freie Zeit teilweise dazu zu verwenden, sich aus eigener Kraft etwas Deutsch aus dem Lernbuch beizubringen. Unterdessen waren auch schon die ersten Bittstellungen aus der alten Heimat eingegangen. Ihr Vater fand, dass es endlich an der Zeit sei, den versetzten Acker bei der Bank auszulösen, damit er auf dem selbem endlich mit dem Bau eines kleinen Lebensmittelladens beginnen könne. Dies sei für die Familie ein Existenz sicherndes Zukunftsprojekt, dem sich Mäo doch sicherlich nicht verschließen wolle, zumal sich die abzutragende Restsumme auf lächerliche 60 000 Baht belaufe.

Sonntag, 7. Februar 2010

Der Geist der alten Thailehrerin (6)

Teil 6, In Deutschland

In der Kneipe „Zum scharfen Eck“ in einer deutschen Kleinstadt saß schon seit Stunden eine Runde trinkfester Gesellen bei Pils und Korn beieinander, als sich die alte abgegriffene Kneipentür knarrend öffnete, und Jürgen und Mäo hereinkamen. An einem massiven Holztisch hockten unter mattgelben Leuchtbirnchen drei hühnenhafte Männergestalten vor ihren verschwitzten Biergläsern, und bliesen unablässig fahlen Zigarettenrauch in die Luft, der den gesamten Kneipenraum schon lange zu einer lebensfeindlichen Räucherkammer gemacht hatte. Die Runde drehte die Köpfe und lud die beiden mit donnerndem Hallo ein, an ihrem Tisch Platz zu nehmen. Helmut, Hans und Franz hatten Jürgen nach seiner Rückkehr aus Thailand noch nicht wieder getroffen und Mäo kannten sie ja auch noch nicht.

„Wen bringst du uns denn da mit?“ wollte Franz mit rollenden Augen wissen. „Das ist Mäo“, sagte Jürgen, „sie ist jetzt meine Frau“. Helmut streckte Mäo eine quadratische Hand über den Tisch und sagte: „Ich Helmut, du Mäo, okay?“ Mäo nickte scheu und hatte Angst diese Pranke zu ergreifen. „In Deutschland sagt man Guten Tag!“ dabei schüttelte er dieses schmächtige Händchen heftig. Mäo lächelte nur, aber verstand gar nichts. „Du nix deutsch sprechen?" Mäo suchte Jürgens Blick, und Jürgen erklärte der Runde, dass sie sich bisher nur auf Englisch verständigt hätten. Aber das focht Helmut nicht an, und er stellte entschieden fest: „Hier Deutschland, hier du deutsch sprechen, okay?“ Mäo nickte unsicher und Helmut, der auch mit einer Thai verheiratet ist, fuhr fort: „Sagmal, Schlafmütze!“ Mäo druckste herum, dann sagte sie: „Schaaf – Muzz.“ Selbst nach mehreren Versuchen kam nichts anderes als „Schaaf-Muzz“ heraus. War das ein Spaß! Helmut brach in ein glucksendes Freudengeheul aus und auch die anderen zwei brüllten vor Lachen und hatten Tränen in den Augen.

Dann wandte sich Franz an Mäo und wollte wissen: „Can you clean Wohnung very sauber?“ worauf Mäo, die nur „clean“ verstand, mit einem vorsichtigen „Yes“ antwortete, worauf Franz fortfuhr: „And can you make Schnitzel mit Bratkartoffel?“ „What?“ stammelte Mäo etwas durcheinander.

Hans ließ Mäo nicht lange Zeit zum Nachdenken, und zog sie näher zu sich heran und raunte ihr mit einem zusammengekniffenen Auge zu: „You sexy girl, hä.“ Daraufhin brachen die drei in ein übermütiges Gelächter aus und schlugen sich auf die Schenkel, dass es nur so klatschte. Mäo fand diese aufgerissenen, fettglänzenden und vom vielen Bier geröteten Gesichter widerwärtig, aber nach guter Thaiart blieb sie höflich und reserviert und vergaß auch nicht zu lächeln. Selbst als eine tastende Hand ihr zuerst über den Rücken und später über die Schenkel fuhr, verlor sie ihr tapferes Lächeln nicht, wiewohl sie allmählich den Eindruck gewann, dass nun Grenzen überschritten wurden. Mäo rückte immer enger an ihren Gatten heran, dessen Anteilnahme aber nur noch seinen alten Kumpels und dem Bier galt. So kam sie sich etwas verloren vor.

Donnerstag, 4. Februar 2010

Der Geist der alten Thailehrerin (5)

Teil 5, Mäo

Der Geist der alten Thailehrerin und der Geist von Nui entdeckten schon bei ihrem ersten Treffen ihre Zuneigung zueinander, die im Laufe der Zeit immer inniger wurde. Der Geist von Nui schaffte es, den Geist der alten Thailehrerin aus seinen trüben Gedanken herauszuholen. Gemeinsam unternahmen sie Ausflüge und freuten sich, dass sie nicht mehr alleine herumirren mussten. Nachmittags gingen sie zum Meer und legten sich in die warmen großen Pfützen zwischen den Sandbänken, die das zurückgehende Wasser übriggelassen hatte. Sie sahen dem Strandleben zu und beobachteten andere Geister, die mit ihren Menschen zum Baden gegangen waren. Eine komische Gesellschaft kam da zusammen. Die Geister der Thais waren hochnäsige Gesellen, die um die Faranggeister einen großen Bogen machten. Da jene in Ländern leben mussten, in denen Geister nicht verehrt wurden und demzufolge auch keine Wertschätzung genossen, hatten die Thaigeister nur Verachtung für sie übrig. Sie stellten ihnen hinterlistige Fallen, in die die Faranggeister auch prompt fielen und dann standen sie herum und lachten die armen Tölpel aus. Sie sorgten für Unfälle mit den Unkundigen auf den thailändischen Geisterbahnen oder sie klauten sämtliches Geistermanna für ein paar Tage, so dass die ausländischen Fremdlinge mit den Mönchen betteln gehen mussten. Aber die Faranggeister wussten sich zu wehren. Sie störten die sehr beliebten Karaokekampfsingveranstaltungen, indem sie die Musik und die Stimmen durcheinander brachten oder sie besetzten die überall im Land herumstehenden Geisterhäuschen und legten darin Leimruten aus, worauf Kakerlaken, Geckos und Fliegen kleben blieben, so daß der örtliche Hausgeist zu seinen dargebotenen Schalen mit Reis und Obst nicht mehr zurückkam.

Eines Tages trafen der Geist der alten Thailehrerin und der Geist von Nui eine junge Frau am Strand. Es war Mäo, die überglücklich mit ihrem neuen Ehemann spazieren ging. Mäo bemerkte die beiden unsichtbaren Geister nicht und Jürgen, ihr Ehemann, auch nicht. Geister sind nicht neugierig, sie kennen ja schon alles. Aber sie schließen sich gerne schon mal einem jungen Liebespaar an, einesteils um der eigenen Langeweile zu entgehen und andererseits ist es ja doch immer wieder spannend, den wundersamen Wendungen einer frischen Liebesgeschichte zu folgen. So gingen sie mit Mäo und Jürgen auf Reisen.

Montag, 25. Januar 2010

Der Geist der alten Thailehrerin (4)

Teil 4, Nui

Das junge Thaimädchen Nui war erst 6 Jahre alt und lebte in einem ärmlichen Hüttenviertel vor einer nicht so großen Thaistadt, wo über die steinigen Schotterwege des Dorfes schwarzgrüne Abwasserrinnsale ihre Bahnen zogen, und alle Kinder barfuß mit zerbrochenem Plastikgeschirr spielten, neben halbtot gefahrenen Hunden, die ausnahmslos die Räude hatten.

Der Vater des Mädchens war eine ausgemergelte Männergestalt und schon früh gealtert. Er hielt sich mit dem Sammeln von Plastikabfällen und Bierglasflaschen über Wasser und verdingte sich zeitweilig auch schon mal als Gelegenheitsmaurer. Abends saß er mit den Männern aus der Nachbarschaft in einem Lattenunterstand vor einem laufenden Fernsehgerät, das aber keiner beachtete, und trank Lao Khao mit viel Sodawasser und wenn er betrunken nach Hause kam und seine Frau von ihm Geld für die Kinder verlangte, schlug er sie bis sie verstummte. Dann aß er noch den von seiner Frau bereitgestellten Teller Reis und legte sich grunzend schlafen, nicht ohne vorher noch über seine wimmernde Frau hergefallen zu sein.

Die Mutter von Nui verkaufte Nudelsuppen für 15 Baht an die Dorfbewohner und schrumpelige Bratfischchen, die sie aus einem nahen Klong gefischt hatte, und nebenher köchelte sie Holzkohle in einem eigenen kleinen Erdmeiler am Bahndamm, aus dem zeitweise würzige Räucherschwaden über die Wege waberten.

Sie hatte zwei Kinder zur Welt gebracht, Nui und Dig, und an ihr hing die Hauptlast der Versorgung der Kleinen, da der Vater das Geld, das er verdiente, auch selber ausgab, zumeist mit Schnaps und Bier und gelegentlich sogar mit fremden Frauen, aber darüber schwieg sie.

Nui war ein lebendiges Mädchen mit einem gerade gewachsenen, wohlgestalteten Körper und einem freundlichen offenen Gesicht. Ihre langen zotteligen Haare, die ihr spielerisch um die schmalen Schultern wehten, verliehen ihr einen frühen Charme von Liebreiz und Grazie. Die kleinen Bengels der Siedlung mochten sie und liefen ihr hinterher, wenn sie aus dem Kindergarten nach Hause kam, aber die Erwachsenen machten nicht viel Aufhebens von ihrer kindlichen Schönheit.

Umso entsetzter waren alle über ihren plötzlichen Tod. Nui lief gerade einer ausgebüchsten Ziege hinterher, die vor einem heranbrausenden Zug davon gesprungen war. Hunderte Male schon war Nui über die holperigen Gleise gehüpft. Ja, manchmal sogar trieben sie und ihre Freunde wagemutige Spielchen vor den herannahenden Zügen. Doch diesmal stolperte sie sehr unglücklich auf den gerölligen, losen Steinen des Bahndamms und knickte mit dem Fuß um. Sie erschrak zutiefst über diesen plötzlichen Stich in ihrem Gelenk, denn einen solchen Schmerz hatte sie noch nie erlebt, und für einen Moment vergaß sie alles um sie herum, aber es war genau dieser eine Moment des Innehaltens, der zu lange dauerte, um noch aufspringen und davonlaufen zu können. Sie blickte hoch und sah dieses heranschnaubende Metallungetüm auf sie zu kommen, das nun auch noch gräßliche Pfeiftöne ausstieß. Starr vor Schreck und Angst zog sich ihr Blut aus den Gliedern zurück, da erfasste sie auch schon das Rammschutzgitter der Lok und wirbelte sie wie eine willenlose Stoffpuppe über das unebene Steinbett. Wie von Ferne hörte sie noch die martialisch kreischenden Bremsen der von dem Lokführer eilig eingeleiteten Vollbremsung, doch dann schlug ihr Kopf gegen etwas Hartes, was ihn nach hinten wegknickte, und mit einem unhörbaren leichten Knacken in ihrem Genick hörte alles Fühlen auf.

Ihr Geist war zur Stelle und küsste sie zum Abschied. Er war nicht froh. Auch Geister sind traurig, wenn kleine Menschen sterben. Aber Geister greifen in ein menschliches Leben nicht ein, sie sind weder Förderer noch Bewahrer, sie sind stille, unerkannte Begleiter, aber keine Schicksalsgestalter. Sein Leben muß der jeweilige Mensch alleine bewältigen, muß die Verantwortung dafür selber tragen und kann sie nicht bei den Geistern abladen. Für die Geister spielt der einzelne menschliche Tod keine Rolle. Sie waren schon in so vielen menschlichen Körpern, haben schon so viele menschliche Leben begleitet, zuviel Leid und Tragödien miterlebt, zuviel Glück und wundersame Fügungen schon gesehen. Darüber wundert sich kein Geist mehr.

Donnerstag, 14. Januar 2010

Der Geist der alten Thailehrerin (3)

Teil 3, Der Geist der alten Thailehrerin

Der Geist der alten Thailehrerin saß nun im Geäst der mächtigen Tamarinde und wartete auf seine Wiedergeburt. Er wollte nicht noch einmal Schulmeister werden, denn dies hatte er schon das letzte Mal als Bestrafung seines vorgehenden Lebens empfunden. Da war er Verkehrspolizist auf einer sehr belebten Bangkoker Straßenkreuzung gewesen. Seine Vorgesetzten forderten ständig mehr Geld von ihm, das er den Autofahrern für nichtigste Vergehen abnehmen sollte, aber er konnte natürlich niemals mit den guten Ergebnissen seiner Kollegen mithalten, die an Straßen mit hohem Farangaufkommen Dienst taten. Auf seiner Kreuzung kamen doch nur sparsame Familienväter, Krankenschwestern und kleine Gemüsebauern aus dem Umland vorbei. Da konnte er keine fünffachen oder zehnfachen Strafen kassieren wie von den fetten Farangs, die schon wegen der mangelnden Sprachkenntnisse leicht auszunehmen waren. So wurde er auch nie befördert und blieb sein Leben lang einfacher Streifenpolizist.

Der Geist seufzte schwer, aber er unterbrach sein mahlendes Weinen nicht. Er hatte keine Lust mehr auf eine neuerliche Wiedergeburt. Es war doch immer die gleiche Leier. Man kommt mit nichts auf die Welt als mit einem blanken Popo und dann beginnt ein lebenslanger Kampf darum, wie man anderen das Geld abnimmt und davon auch möglichst noch viel, damit man sich Dinge kauft, die man gar nicht braucht, wovon man sich aber einflüstern läßt, dass man sie brauchen würde, und wenn man stirbt, bleibt einem ja doch nichts weiter übrig als eben der gleiche nackte Popo. Wofür die ganze Aufregung? Am liebsten würde er hier bis in alle Ewigkeit sitzen bleiben. Aber das kam ihm noch viel grauenvoller, viel auswegloser vor. Die Menschen haben Angst vor dem Tod, aber die Geister haben Angst vor der Ewigkeit. Es gibt kein Ende. Sie können nicht sterben. Schrecklich! Und dennoch ist es ihr Los. Zwar müssen sie hin und wieder in neue Körper schlüpfen, aber schlussendlich bleiben sie unvergänglich. Im Gegensatz zu den Menschen können sie sich an alle ihre Leben erinnern, aber weil sie immer wieder in neue Menschen fahren, können sie von ihrem Wissen und ihren Lernerfahrungen nichts davon hinüber retten. Der Mensch muß immer wieder neu anfangen, der Geist aber braucht es nicht.

Der Geist der alten Thailehrerin stöhnte leise. Er war alles so furchtbar leid.
In seiner hilflosen Suche hatte er vor einiger Zeit den Geist eines alten Thaimönchs getroffen, der noch immer in dem mumifizierten Körper hinter einer Glasvitrine in einem Tempel wohnte. Er war ein neckischer Kerl. Er wollte einfach nicht ausziehen und in der Geisterwelt herumwandern, sondern blieb im Wat und machte sich einen Spaß daraus, die Besucher, die in den abendlichen Andachtsstunden des aufgebahrten Toten gedachten, zu verwirren. Mal steckte er die Blumen mit den Köpfen nach unten in die Vase, mal schüttete er Chilipulver in den herumgereichten Tee und mal schlüpfte er hinter die Gesichter der Angehörigen, die vor dem Kühlsarg und dem Bild des Toten zu einem letzten Schnappschuß aufmarschiert waren, und ließ sie in einem grässlichen Flaschengrün erstrahlen. Der Mönchsgeist bebte vor spitzbübischem Entzücken, wenn die derart Gefoppten mit Schaudern aufschrieen und den unruhevollen Geist des unlängst Verblichenen der Taten bezichtigten, dabei war dieser schon lange von jenem ausgefahren und stromerte über die weiten Geisterbahnen, endlich seine Freiheit genießend, denn jeder Geist ist froh, wenn er das alte Martergerippe so schnell wie möglich verlassen kann.

Der Geist der alten Thailehrerin fand an solcherlei Spukereien keinen Gefallen. Er wollte seine Ruhe haben, auch wenn es eine ereignislose, eine Totenruhe war. Er hatte dem Mönchsgeist sein Sündenregister aus seinen Lebzeiten vorgehalten, aber der kecke Kerl spuckte nur darauf. Das waren doch wirklich olle Kamellen, fand er, die keinen mehr interessierten. Klar, war es kein Ausweis seiner Frömmigkeit, wenn er sich des nachts in die Kluft eines Tagelöhners zwängte, sich eine Strickmütze mit Augenschlitzen ins Gesicht zog, damit man seinen kahlgeschorenen Schädel nicht bemerkte, und sich mit ein paar Spendengeldern aus dem Wat schlich, um sie in einem Puff in der Stadt zu verjubeln. Die Mädchen hielten ihn für einen arbeitsamen Familienvater aus einer Blechbarackensiedlung am Stadtrand, der auf Abwechslung aus war, doch ihm kam es sogar noch recht genial vor, wie er auf solch originelle Weise für einen selbstinszenierten Rücklauf der gespendeten Gelder sorgte. Dies ging lange Jahre gut und nur einmal wäre sein kleines Geheimnis fast herausgekommen, als er in der Bar des Puffs einem Mönchsbruder begegnete, von dem er sich im letzten Moment noch abwenden konnte.

Der Geist der alten Thailehrerin wurde schnell gewahr, dass der Mönchsgeist nie ein guter Freund für sie werden wird. Angewidert saß er im Geäst des Tamarindenbaums und schaute auf das übermütige Treiben des Mönchsgeistes, der immer zu Späßen und Schabernack aufgelegt war und nichts und niemanden ernst nahm. Doch ohne Freunde war selbst ein Geisterleben nur die Hälfte wert. Und gute Freunde zumal, mit denen man zusammensitzen und die Zeit verplappern konnte oder vielleicht sogar Ausflüge in den Geisterorkus machen konnte, waren noch viel schwerer zu finden. So saß er da und konnte nicht aufhören, sein Schicksal zu beweinen, und schon dachte er, dass er bis in alle Unendlichkeit auf diesen Ästen sitzen müsse, dumpf brütend und wie in Betäubung schmorend, alle Tage freundlos und ohne erhellende Lichtblicke. Doch dann kam eines Tages der Geist von Nui, einem kleinen Thaimädchen vorbei, der ihn mitzog und zu gemeinsamen Spritztouren ermunterte.

Montag, 11. Januar 2010

Der Geist der alten Thailehrerin (2)

Teil 2, Die alte Thailehrerin

Die alte Thailehrerin lebte in einem ruhigen kleinen Ort inmitten der Thaiprovinz und ging jeden Morgen voller Missmut und Widerwillen in eine staatliche Schule. Die kleinen fröhlichen Knirpse in ihrer Klasse waren für sie im Laufe der Zeit zu einem zuchtlosen Haufen Ekel geworden, verspielt, unerzogen und lernfaul. Manche kamen barfuß zur Schule oder mit zerschlissenen Schuhen, viele hatten schwarze Fingernägel, waren ungewaschen und rochen schlecht, und besonders die Mädchen hatten die langen Haare voller Läuse. Die meisten waren ungesund und einseitig ernährt, mieden Obst und Gemüse, aßen mit Behagen Kurzgebratenes und jede Menge Süßigkeiten mit künstlichen Aromastoffen und waren bei den geringsten Temperaturschwankungen verschnupft oder hatten Husten.

Die alte Thailehrerin hatte 45 Kinder zu unterrichten, aber um Unterricht ging es schon lange nicht mehr. Ein Gutteil der Zeit verging mit Ermahnungen und Disziplinierungen, um den allgegenwärtigen Geräuschpegel zu dämpfen, damit sie auch in den hinteren Reihen noch gehört werden konnte. Sie war streng. Wer störte, musste sich nach vorne in die erste Reihe setzen, damit er unter ihrer direkten Beobachtung war. Aber sie war nicht streng genug. Das merkte sie bald und begann zu verzweifeln, und das war der Anfang ihrer langen Reise in ihre innere Traurigkeit. Von nun an ging sie in die Schule als würde sie auf Schienen laufen wie eine ferngesteuerte Traisine. Mechanisch und lustlos vollzog sie den Unterricht.

Ihre liebste Schulstunde war morgens zwischen 8 und 9 Uhr, wenn alle Kinder vor der aufgezogenen Thaifahne in Reih und Glied auf dem Schulhof standen und die Nationalhymne absangen, und wenn anschließend die Sünden von ein paar hartgesottenen Taugenichtsen vorgelesen wurden. Es war noch angenehm kühl, und sie konnte seitwärts stehen und ihren Gedanken nachhängen, bevor sie mit ihren Früchtchen in den Klassenraum abmarschierte, der im Laufe des Tages mehr und mehr zu einem wahren Bratloch wurde. Die Kinder schwitzten erbärmlich in ihren engen, festen Uniformhemden und es roch ranzig und nach verschwitzten Füßen wie in einem speckigen Turnsaal. Zwar drehte ein lächerlich kleiner Ventilator an der Decke seine tapferen Runden, doch in den Sitzreihen der Kinder kam keine Linderung an.

Als die alte Thailehrerin pensioniert wurde, kam es ihr vor als hätte irgendjemand der Traisine den Strom abgestellt. Sie musste morgens nicht mehr in die Schule und fühlte sich das erste Mal in ihrem Leben wirklich frei. Sie genoß ihr Leben. Kaufte neue Blumen für ihr Haus, übernahm einen Hund aus der Nachbarschaft und auch eine Katze, räumte die Möbel um und ließ sich eine neue Küche bauen, damit sie nun endlich selber kochen konnte. Aber das freie Leben hatte auch ihre Tücken und das merkte sie bald. Ihre Tage plätscherten dahin, und ohne Arbeit oder Aufgaben kam es ihr ziemlich langweilig vor. Sie ging aus und traf sich mit Freundinnen, was aber zunehmend dazu führte, dass sie zusammen beim Kartenspiel saßen, was zwar kurzweilig, aber mitunter auch verlustreich war. So kam sie manchmal deprimierter nach Hause zurück als sie von dort fort gegangen war. Häufiger ging sie fortan in den Tempel und spendete den Mönchen Essen und Geld, doch sonst zog sie sich immer mehr zurück und traf sich auch mit ihren Freundinnen nur noch selten. Obwohl sie körperlich noch gut beweglich war und auch noch keine Alterszipperlein hatte, ging sie kaum mehr aus dem Haus. Ihr Moped hatte sie schon lange verkauft und zu Fuß war es ihr zu heiß. Sie wurde launisch und verschroben, maßregelte ihre Zugehfrau, die ihr das Haus sauber hielt und die Tiere fütterte, und beschimpfte am Telefon die Wasserwerke und die Stadtverwaltung in rüdem Ton aus nichtigen Anlässen. Mit 70 Jahren guckte sie nach vorne, und sie erschrak, denn was sie sah, sah nicht rosig aus. Sie sah den Tod auf sich zukommen und sie hatte Angst davor. Das war entsetzlich. Die Jahre vergingen, aber es gelang ihr nicht, ihre Angst zu überwinden.

Als der Tod sie überraschte, wollte sie gerade in ihrer Küche nach einem Messer greifen, um eine Zwiebel zu schälen, aber es gelang ihr nicht mehr. Sie stand vor dem Messer und sah es liegen, aber ihr rechter Arm und ihre Hand verweigerten den Greifbefehl. Plötzlich sah sie 5, nein 10, ach je, ein ganzes Messermeer vor ihr liegen, dann knickten ihr die Beine weg. Sie sackte zusammen und schlug mit dem Kopf, in dem ein kleines blutführendes Gefäß geplatzt war, auf die blanken Küchenfliesen. Es wurde dunkel um sie herum und sie empfand nichts als einen wohligen Frieden und gab sich ihm hin. Es war 8.25 Uhr - ihre liebste Schulstunde - und die Kinder standen wie jeden Tag in der nahen Schule vor der Thaifahne, als ihre Atmung aussetzte und ihr Geist sie abholen kam.

Samstag, 9. Januar 2010

Der Geist der alten Thailehrerin (1)

Aus gegebenem Anlaß möchte ich nochmal erwähnen, daß ich hier LESESTÜCKE veröffentliche. Es ist also kein Alltagsblog über das pralle Thaileben wie ihn Ben in einer wunderbar authentischen Weise betreibt. So kann es passieren, daß manche Beiträge mal ein wenig länger geraten. Dennoch greife ich Bens Hinweis gerne auf und versuche Pausen einzubauen. Fangen wir heute mit der ersten Fortsetzungsgeschichte an. (Alle Geschichten (c)Paul Martini, Jan. 2007)


Der Geist der alten Thailehrerin

Teil 1, Der Tamarindenbaum

Der Tamarindenbaum war gewiß schon über 100 Jahre alt. Seinen Stamm konnte ein erwachsener Mann nicht mehr umfassen, und in der Höhe maß er stattliche 20 Meter, womit er sämtliche Palmen in der Nachbarschaft ohne Mühe überragte. Sein gewaltiger Stamm begann sich früh zu teilen und starke, fast waagrecht verlaufende Äste mit glatter Rinde trugen spielerisch das schwere buschige Blätterwerk, das im Zenit eine prächtig gerundete grüne Kuppel bildete. Wenn die milde Morgensonne schräg durch die Zweige stach und die durchziehenden sanften Windchen an den Blattstengeln zipfelten, dann sah es aus, als würden die paarig an ihren Stengeln zitternden Blätter miteinander wispern.

Viele Sommer und viele Trockenzeiten hatte der alte Baum schon erlebt. Viele Stürme und peitschenden Regen. Manches rasende Buschfeuer war unter seinen ausladenden Ästen, die wie übergroße Fittiche über dem wilden, nach Licht gierenden Akaziengesträuch hingen, vorbeigezogen, und selbst marodierende Ziegenherden, die sich bisweilen an seinem niedrig hängenden Blattwerk labten, waren für ihn doch immer nur zeitweilige Besucher, eher, Nachbarn, denen er mit generöser Größe gerne gab, was er entbehren konnte.

Der alte Baum hatte viele Gäste. Auf den unteren starken Stammesästen ruhten gelegentlich fette Elstern und langschwänzige Fasane aus, die den frischen Schatten genossen und die Gelegenheit wahrnahmen, ein wenig Federputz zu betreiben, und durch den weitflüchtigen Mittelteil hüpften zuweilen rotköpfige Haubenhäher, die anderwärts nisteten. Im höher liegenden Blättergewirr seiner großen Kuppel spritzten quicklebendige Singvögel über die Zweige, verweilten kurz, schauten pickend unter die Blätter, drehten die kleinen Köpfe und flogen zwitschernd wieder davon. Geckos und kleine Echsen kamen natürlich auch zu Besuch und selbstverständlich die „Buak“, die Holz fressenden Ameisen, die ständig auf der Suche nach abgestorbenen alten Astteilen waren und sich durch morsche Rindenstücke wühlten bis sie abplatzten. Der alte Baum hatte viele Besucher, aber keine Bewohner.

Vor ein paar Jahren nistete sich der Geist einer alten Thailehrerin auf einem starken oberen Ast ein, aber auch er verblieb nur zeitweilig, mal verschwand er wortlos und blieb lange weg, dann kam er wieder und saß schweigsam und starr auf dem Ast als sei er in Bronze gegossen wie ein prähistorisches Reptil und weinte sein stilles tränenloses Trauerweinen, das nie einen Anfang und ein Ende hatte. Der Geist war ein grämlicher Kummerkloß, freudlos und scheu. Er liebte die Dunkelheit und hatte keine Freunde. Während des Vollmondes verkroch er sich unter eine schützende Astgabelung und nur der Wind hörte dann sein verstecktes Schluchzen.

Der Geist der alten Thailehrerin (2)

Der Geist der alten Thailehrerin (3)

Der Geist der alten Thailehrerin (4)

Der Geist der alten Thailehrerin (5)

Der Geist der alten Thailehrerin (6)

Der Geist der alten Thailehrerin (7)

Der Geist der alten Thailehrerin (8)

Der Geist der alten Thailehrerin (9)

Freitag, 8. Januar 2010

Sawadii bi mai, Freunde!

6. 1. 10

Liebe Freunde, habt Dank für die Weihnachts- und Neujahrsgrüße. Möge auch euch ein spannendes und lebendiges neues Jahr bei guter Gesundheit beschieden sein!

Ja, ihr habt Recht, Weihnachten ist ein Fest, das ich gemeinhin gerne übergehe. Zumal es in hiesigen Breiten mit der Weihnachtsfeierlichkeit ohnehin nicht weit her ist. Weihnachtsgefühle bei 32 Grad im Schatten – wer hat die schon? Bekäme ich nicht gelegentlich Mails mit guten Wünschen, würde dieses Ereignis sehr unbeachtet an uns vorübergehen. Die Thais haben mit Weihnachten sowieso nichts am Hut. Zwar wird es ihnen übergestülpt, doch können sie nichts damit anfangen. Im Tesco rieseln Behaglichkeit verbreitende Weihnachtslieder auf die Besucher herab, und davor stolpert ein verkleideter Weihnachtsmann über seine eigene Garderobe und erschreckt die Kinder. Doch was das zu bedeuten hat, das sagt ihnen keiner. Aber solange es etwas zu feiern gibt, ist den Thais jedes Spektakel recht. Wozu braucht man zu wissen, in welcher Tradition ein Fest steht?

Womit wir bei den saisonal gebräuchlichen Verpflegungsveranstaltungen des ausgeklungenen Dezembers wären. Los gings mit meinem Geburtstag.

Ich hatte mit meiner Frau verabredet, daß wir diesmal im Kreise unserer fortgesetzt auf Selbsterweiterung bedachten Thaisippschaft ein übersichtliches Gastmahl für alle veranstalten. Doch wie immer traten im Vorfeld jene scheinbar unausrottbaren, archaischen Urängste zutage, die Feiergemeinschaft könne von gräßlichen Hungeranfällen befallen werden, weshalb vorsichtshalber in Überfülle eingekauft wurde, was auf den lokalen Märkten und in dem hiesigen Meer zu kriegen war. Der Tisch bäumte sich von all den vielen Köstlichkeiten: frittierte Hühnerbeine, Ente, Fischfrikadellen, Knoblauchkrabben und Fische, gedünstet und gebraten, sowie scharfe Chilibratwürste und die allseits beliebten Nürnberger usw. Es war wie immer viel zu viel, doch den Protest dagegen habe ich schon lange eingestellt. Genügsamkeit in Essensdingen ist einem Thai nicht beizubringen. Dies käme einem ungeheuerlichen Sanukdefätismus gleich! Nicht vorstellbar.

So rückte ich zur abendlichen Feierstunde frisch geduscht mit einem Kasten Singha an, den ich gleich in einer Eisbox verschwinden ließ. Ein Kasten mag euch wenig vorkommen, doch es hieß, daß unsere lieben Mitthais ausschließlich dem Leo zugeneigt seien, welches ich ebenfalls sponserte. Doch am Ende des Abends waren alle 12 Flaschen Singha auf wundersame Weise leer. Achja, wie können sie uns doch immer wieder auf nette Weise überraschen, nichtwahr?

Alles in allem war es aber schön, mit den Thais zu feiern. Ausser einem besuchsweise hier weilenden Freund aus Deutschland, war es eine reine Thaifeier in dem kleinen Straßenrestaurant der Thaifamilie, wobei der normale Geschäftsbetrieb der einzelnen Unternehmenszweige nebenher weiterlief: Die Li verkaufte Nudelsuppe, die Noi verkaufte Bratreis und die Wi verkaufte Fruchtsaft mit Schreddereis, nur der Lung (Onkel) hatte seine sieben oder acht zum Verkauf stehenden Gebrauchtwagen abgeschlossen und sich zum Schmause begeben. Zu vorgerückter Stunde, gingen die Lichter aus und jemand brachte die unvermeidliche Geburtstagstorte, deren Kerzen ich ausblasen mußte. Alle klatschten und sangen "Happy Birthday" und der Lung drückte mich und wünschte mir Reichtum und Wohlstand. Na, nun kann eigentlich nix mehr schief gehen....

Zu Heiligabend bekam ich Besuch von einem Kumpel aus dem Süden. Er wohnt in Lang Suan zwischen Chumpon und Suratthani und hat die Strecke von 350 km in einem Tag bewältigt: MIT DEM FAHRRAD!!!!! Völlig erschöpft begehrte er einen wärmestrahlenden Weihnachtsengel für die seinerzeit kühle Heilige Nacht, welcher auch versiert in himmlischen Massageanwendungen sei. So begaben wir uns im hiesigen Barviertel auf die Suche, wo wir tatsächlich auch jede Menge festlich gestimmte Christbaumperlen in zipfelbemützen Galatrachten vorfanden, denen jedoch allen eines zueigen war: außen glänzend, doch innen ganz schön hohl.

An Silvester probte die Thaifamilie eine zackige Karaokeparty, von der ich mit schmerzenden und tauben Innenohren zurückkam. Daß versoffenes, schiefes Gröhlen nichts mit Gesang zu tun hat, kann man einem Thai aber nicht klarmachen. Im Gegenteil! Das ist Thaisanuk in höchster Potenz. Naja... Viel guter Wille vorausgesetzt, könnte man es allenfalls für eine unkoordiniert abgehende Extrem-Flatulenz aus der falschen Körperöffnung halten. Die verwechseln hier sowieso gerne Potenz und Potential. Aber wenn man von beidem so wenig vorzuweisen hat, dann muß man das auch so genau nicht nehmen.

Am Neujahrstag fuhren wir nach Thapsakae. Die Oma hatte Geburtstag und es galt, ihr wie jedes Jahr unsere Aufwartung zu machen. Diesmal ohne große Party. Doch Potzblitz! Kaum angekommen, fummelten ein paar Thaibuben auch schon wieder an einem eiligst herbeigeschafften Karaokecomputer herum. NEIN, nicht schon wieder!!

Doch es half nichts. Und während die Thais abwechselnd mal die Bässe und mal die Höhen der sentimentalen Schnulzen um die windschiefen Holzhäuschen jagten, schlenderte ich über den Neujahrsrummel von Thapsakae, wo es allerlei absunderliche Sachen zu entdecken gab. Als ich wieder zurückkam, waren die Boxen auf einen Pickup verladen und die Thais dösten in Hängematten oder lümmelten schnatternd auf Holzpodesten. Nanu, wie nannte sich dieses neue Spiel? Keine Karaoke mehr? Richtig! Keiner wollte singen. Wie bitte…? Sagt selbst, ist dieses Land nicht immer wieder "amazing"?

Die tollen Jahresendtage sind nun auch vorbei. Sie waren für uns Hua Hin-Bewohner entsetzlich. Halb Bangkok war bei uns zu Gast. Man kam nicht hinein und nicht heraus. Wir rösteten in endlosen Blechkolonnen, die sich kaum von der Stelle bewegten. Unbekümmerte Linksparker und sorgenfreie Rechtsabbieger scherten sich wenig um den hinter ihnen auflaufenden Rückstau und machten aus dem ohnehin schon hirnlosen Verkehrschaos eine unrettbare Stillstandsvereinigung von versammeltem Blech.

Rechtzeitig zu dem alljährlichen Massenansturm am Jahresende hat unsere tüchtige Stadtverwaltung in einer bemerkenswerten Wallung von Regelungsvernunft eine sensationelle Verkehrsmaßnahme umgesetzt und an den beiden Hauptkreuzungen zwei Abbiegeampeln und neue Abbiegespuren eingerichtet. Doch leider, leider hat sie dabei die gewitzte Cleverness ihrer verkehrsartistisch vielseitig talentierten Thaiuntertanen außer Acht gelassen, die einer roten Ampel zwar Kompetenz zubilligen, doch spukhafte Malereien auf dem Asphalt weniger als Verkehrslenkung denn als moderne Kunst begreifen, und die hat fahrtechnisch natürlich keine Relevanz. Was Jahre lang gut lief, kann man doch nicht jählings über Nacht ändern! Das wäre ja noch mal schöner!

Seit einiger Zeit gibt es in Hua Hin eine neue thaitypische Touristenattraktion, den Plearn Wan Komplex. Er befindet sich zwischen der Soi 38 und 40. Schon von außen her macht die gesamte Gebäudekonstruktion mit ihren angepappten Bretterwänden und vernagelten rostigen Wellblechversatzstücken einen etwas verwitterten und dekadenten Eindruck. Doch das ist gewollt! Denn Plearn Wan soll so eine Art von antikem Erlebnismuseum im Retro-Look sein, wobei die Betonung sanukadäquat eher auf dem ersten Wortteil liegt. Beim Bummel durch die traditionellen Kleinläden soll sich der Besucher wie auf einer zeitgeschichtlichen Reise durch das historische Thailand fühlen. Doch selbstverständlich ohne auf neuzeitliche Annehmlichkeiten verzichten zu müssen wie Eiscreme aus der Kühltruhe und Cola in riesigen Halbliterbechern. Schon vor dem Eingang steht eine aufgearbeitete alte Fahrrad-Rikscha mit Korbstuhlbeiwagen(!), und ein blauweiß bemaltes Tuk-Tuk kündet von den „Memories of classic romance“. (Was könnte damit nur gemeint sein?)

In den bretterverbrämten Shops sind alte Tonbandgeräte und Fotoapparate ausgestellt, vorsintflutliche Trichtermegafone, sowie fürchterlich unbequeme Kinderwagen aus Holz, die eher an Kohlekästen erinnern. Die nostalgisch wirkenden Verkaufsbuden kontrastieren merklich zu dem in den Wandelgängen ausgelegten grünen Kunstrasen aus der Neuzeit, doch dafür sind sämtliche Schilder, Plakate und Beschriftungen in Thai. Auch die überall herumstehenden Plastiktonnen stehen in eigenartigem Gegensatz zu dem antiken Flair der Anlage. Doch aufgepasst! Hier findet die meines Wissens thailandweit einzige real praktizierte Mülltrennungskampagne statt - und die skurrilste zugleich: Unterschieden wird zwischen „trockenen“ und „feuchten“ Abfällen!

Im hinteren Teil der Anlage kann man am Wochenende bei vergangenheitsverklärten Gesangsvorführungen sitzen und alten Schnulzen aus den siebziger Jahren lauschen. Doch anscheinend vermag das aus dem chicen Bangkok heran gereiste Jungvolk an der vergangenen Handwerks- und Gesangskunst nicht so das rechte Interesse zu entwickeln, da es in aufgeregter Selbstverliebtheit einzig damit beschäftigt ist, sich pausenlos und in affigen Posen gegenseitig selber zu fotografieren, womit es ihnen vermutlich auch reichlich gleichgültig ist, daß der Espresso in dem doch ach so postmodernen Thai-Coffeeshop aus einer ganz und gar hochmodernen Kaffeemaschine kommt.

Mir geht es gut, aber die körperlichen Malesten nehmen zu. Es treten Zipperlein an Stellen auf, von denen man gar nicht angenommen hätte, daß sie sich jemals bemerkbar machen würden. Aber das nehme ich hin.

Mit meinem Thaiumfeld komme ich gut zurecht und lebe in Frieden damit. Wir tun uns gegenseitig nicht weh. Weder verspüre ich missionarische noch aufklärerische Regungen und habe große Zuversicht in den praxiserprobten Dilettantismus der Thais, der es zuweilen immer mal schafft, daß ich mein Geknottere einstelle. Jeder hat das Recht auf seine eigene Besessenheit. Wer will denn schon beurteilen, ob nicht auch ich in einer solchen lebe?

Wer nichts hinzulernen will und auf seine Faulheit auch noch stolz ist, kriegt ohnehin früher oder später die Quittung präsentiert. Unterlassen wie Unternehmen bleibt gleichermaßen nicht folgenlos. Das konnte ich im letzten Monat wieder anschaulich und mit einer gewissen inneren Befriedigung beobachten. Nach langen düsteren Jahren auf einer Thai-Schulbank erwachte unser vierzehnjähriger Hausthai endlich aus seinem halbkomatösen Schulschlaf und teilte uns unter Geltendmachung von mancherlei windelweich klingender Schutzbehauptungen seinen Entschluß mit, jene Einrichtung fürderhin zu meiden. Zuvor schon hatte seine verdutzte Mutter einen überraschenden Schwächeanfall erlitten, als sie von seinem Lehrer erfahren mußte, daß der brave Sohn schon seit längerer Zeit so manche Schulstunde außerhalb des Schulgebäudes zu gestalten wußte und beschlossen hatte, seiner Wissenserweiterung mit sportlichen Ballerspielen in den umliegenden Internetshops eine progressive Pause zu gönnen.

So blieb er zu Hause und pflegte sein Phlegma. Nur einmal noch begab er sich in seine alte Schule, als eine bekannte Mopedfirma dort eine Schulparty abhielt. Als erstes stellte er seinen Tagesablauf um. Er kam nachts um 3 Uhr nach Hause, legte sich Schlafen und erwachte erst wieder in den frühen Nachmittagsstunden. Dann begab er sich umgehend auf die Suche nach einer Schale Reis, was ihn derart erschöpfte, daß er sich erneut zu einem Nickerchen hinlegen mußte. Gegen Abend verschwand er grußlos auf einem Moped mit einem Kumpel, und wir sahen ihn erst am nächsten Nachmittag wieder. So ging das viele Tage, und wenn meine Frau nicht ebenso beschwörend wie beruhigend auf mich eingeredet hätte, dann wäre ich wohl explodiert. Inzwischen ist er ausgezogen. Sein Vater hat ihn vor ein paar Tagen abgeholt und ihn in seinem Internetshop auf Koh Phangan angestellt, um dort die Aufsicht zu führen. Ist das nicht wunderbar? Selten gelang es wohl so bruchlos einen Bock zum Gärtner zu machen! Nun kann er alle Tage umsonst all die vielen Games spielen, für die er vorher viel Geld bezahlen mußte!

Menschlich gesehen ist so etwas natürlich eine große Katastrofe, weil er nun noch nicht mal einen Hauptschulabschluß bekommen wird. Dafür ist er zu dumm. Für eine Nachhilfe ist es zu spät. Für eine weitergehende Berufsausbildung ist er zu begriffsstutzig. Für Handlangerarbeiten ist er zu faul. Für ein Hobby ist er zu desinteressiert. Für eine Sportart zu schwerfällig. Jede Form von Bewegung ist ihm zuwider und jede übertragene Aufgabe erledigt er nur schlampig und liederlich. Er findet nichts dabei, tagelang ohne einen einzigen Baht in der Tasche auskommen zu müssen. Ein Reisgericht findet sich doch immer! Außerdem hat er hat doch Freunde, die ihn aushalten und eine Freundin, die ihn beschenkt. Was für ein Leben!

Vom Wetter gibt es eigentlich nur Pläsierliches zu berichten. Der stramme Wind der Weihnachtstage hat sich gelegt und damit auch die Staubbelastung der Luft. Wir sind nicht mehr verschnupft und die Thais husten auch nicht mehr. Im Gegenzug haben die Temperaturen ganz ordentlich aufgeholt, was für die Jahreszeit eigentlich ungewöhnlich ist.

So finden wir unser Thaileben keineswegs zu anstrengend.

In diesem Sinne wünsche ich euch noch einen schönen Restwinter und freue mich, wenn ihr euch auch wieder mal meldet.

Allerbeste Grüße und Sawadii bi mai!