Montag, 8. März 2010

Im Paradies auf Erden (2)

Geschäftlich musste die Lady bald wieder nach Bangkok zurückkehren und ihren Goldjungen in dem einsamen Condo am Meer zurücklassen, doch standen ihr ja alle modernen telekommunikativen Kontakteinrichtungen zur Verfügung, um ein Mindestmaß an Überwachung aufrechtzuerhalten. So registrierte sie begeistert, dass Mr. Blondhaar im Überschwange seines Thailandtaumels mit der Zeit löbliche Ideen für eine Sesshaftwerdung entwickelte und im Zuge dessen mit dem Erwerb eines eigenen Condos liebäugelte. Ja, er nahm sogar eigenständig Kontakt zu einem Immobilienagenten auf und besichtigte in dessen Beisein verschiedene zum Verkauf stehende Condos. Nur als der nordische Kauffantast während telefonseliger Gesprächsrunden auch noch davon faselte, dass er sich praktisch schon für ein spezielles Condo entschieden hätte, war es für die Cybermime höchste Eisenbahn zurückzukehren, um die außer Kontrolle zu geratenen Geschicke durch ihr beherztes Eingreifen in die rechten Bahnen zu lenken.

Der Immobilienagent – ein junger Kerl, der fließend englisch sprach – hatte ein geräumiges Condo im zweiten Stock der Anlage für einen Kaufpreis von 6,3 Mio. Baht offeriert, in dem nicht nur die Umschreibungskosten und die Steuer, sondern auch sämtliche Möbel und Einrichtungsgegenstände enthalten waren. Mr. Blondhaar monierte zwar, dass man aus dem zweiten Stock den Blick aufs Meer vermissen würde, doch signalisierte er starke und nachhaltige Kaufbereitschaft, da er den Kaufpreis für eine günstige Offerte hielt. Die flugs herbeigeeilte Chatlady fand den nicht vorhandenen Meeresblick ebenfalls äußert misslich und wusste darüber hinaus mit beiläufigen Andeutungen auf mögliche Unzuverlässigkeiten während des Übertragungsprozesses raffiniert die Integrität des Immobilienburschen zu erschüttern, was den nordischen Investor in große Unsicherheit stürzte.

Doch überraschenderweise und selbstverständlich völlig zufällig erinnerte sich die versierte Businessdame an ein wohlfeiles Condo einer Freundin im 10. Stock der selbem Anlage, das nicht nur hinsichtlich der Ausstattung mehr zu bieten hatte, sondern auch noch einen sichtschutzfreien Meeresblick bot. So ein Zufall! So ein Glücksfall aber auch! Der nordische Mann war außer sich vor Freude und deutete die vielen wundersamen Geschehnisse als naturgegebene Fügungen dieses faszinierenden Wunderlandes und nahm auch den um mehr als eine ganze Million Baht teureren Kaufpreis gelassen hin. Geld als Entscheidungskriterium war ihm ja ohnehin nicht mehr im Wege. So besichtigte er nach einer von ihr vorbereiteten Kontaktaufnahme das Condo und traf sich mit dem Eigentümer. Inzwischen stehen die Kaufverhandlungen vor sehr konkreten Vertragsentwürfen und die Anzahlungsleistungen stehen ebenfalls unmittelbar bevor. Womit endlich alle zufrieden wären, besonders die gerissene Chatlady, die aus dieser anfangs sich wenig ersprießlich entwickelnden Beziehung doch noch kräftig Honig saugen konnte. 3 Prozent von 7,5 Millionen Baht macht immerhin 225 000 Baht, ein schönes Sümmchen, für das sie noch viele Jahre Telefonkarten hätte verkaufen müssen.

Mr. Blondhaar ist inzwischen nun schon ganze 2 Wochen hier und noch immer im Wonnetaumel. Er sei im Paradies aufgewacht, beteuert er immer wieder. Hier will er wohnen, aufs Meer hinaus gucken und sich eine neue, ansehnlichere Gespielin suchen. Er will sich ein Auto kaufen, die Sprache lernen und sein Leben in vollen Zügen genießen. Doch zunächst fliegt er wieder zurück ins nordische Land, wo er sein Appartement vermieten und seinen Hausstand auflösen will, und wo er seiner 85jährigen Mutter, der er zeitlebens beigestanden hat, beibringen muß, welche Pläne er hegt. Das wird der schwerste Gang.

Ein Leben im Paradies. Ach, wenn es nur so wäre! Wir kaufen uns einfach ein Teil vom Paradies und sind bis ans Ende unseres Lebens nur noch glücklich. Wäre das nicht wunderbar? Thailand ist ein tolles Reiseland und es kann Erstbesuchern schon mal die Sinne verdrehen. Das kennen wir. Insofern empfinden wir Verständnis. Doch das Paradies auf Erden ist auch in Thailand nur eine irrlichternde Halluzination. Und wenn hier wirklich mal kleine Träume wahr geworden sind, dann ist man vorher mit großen gelandet.

©Paul Martini, Sept. 2008

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