Sonntag, 7. Februar 2010

Der Geist der alten Thailehrerin (6)

Teil 6, In Deutschland

In der Kneipe „Zum scharfen Eck“ in einer deutschen Kleinstadt saß schon seit Stunden eine Runde trinkfester Gesellen bei Pils und Korn beieinander, als sich die alte abgegriffene Kneipentür knarrend öffnete, und Jürgen und Mäo hereinkamen. An einem massiven Holztisch hockten unter mattgelben Leuchtbirnchen drei hühnenhafte Männergestalten vor ihren verschwitzten Biergläsern, und bliesen unablässig fahlen Zigarettenrauch in die Luft, der den gesamten Kneipenraum schon lange zu einer lebensfeindlichen Räucherkammer gemacht hatte. Die Runde drehte die Köpfe und lud die beiden mit donnerndem Hallo ein, an ihrem Tisch Platz zu nehmen. Helmut, Hans und Franz hatten Jürgen nach seiner Rückkehr aus Thailand noch nicht wieder getroffen und Mäo kannten sie ja auch noch nicht.

„Wen bringst du uns denn da mit?“ wollte Franz mit rollenden Augen wissen. „Das ist Mäo“, sagte Jürgen, „sie ist jetzt meine Frau“. Helmut streckte Mäo eine quadratische Hand über den Tisch und sagte: „Ich Helmut, du Mäo, okay?“ Mäo nickte scheu und hatte Angst diese Pranke zu ergreifen. „In Deutschland sagt man Guten Tag!“ dabei schüttelte er dieses schmächtige Händchen heftig. Mäo lächelte nur, aber verstand gar nichts. „Du nix deutsch sprechen?" Mäo suchte Jürgens Blick, und Jürgen erklärte der Runde, dass sie sich bisher nur auf Englisch verständigt hätten. Aber das focht Helmut nicht an, und er stellte entschieden fest: „Hier Deutschland, hier du deutsch sprechen, okay?“ Mäo nickte unsicher und Helmut, der auch mit einer Thai verheiratet ist, fuhr fort: „Sagmal, Schlafmütze!“ Mäo druckste herum, dann sagte sie: „Schaaf – Muzz.“ Selbst nach mehreren Versuchen kam nichts anderes als „Schaaf-Muzz“ heraus. War das ein Spaß! Helmut brach in ein glucksendes Freudengeheul aus und auch die anderen zwei brüllten vor Lachen und hatten Tränen in den Augen.

Dann wandte sich Franz an Mäo und wollte wissen: „Can you clean Wohnung very sauber?“ worauf Mäo, die nur „clean“ verstand, mit einem vorsichtigen „Yes“ antwortete, worauf Franz fortfuhr: „And can you make Schnitzel mit Bratkartoffel?“ „What?“ stammelte Mäo etwas durcheinander.

Hans ließ Mäo nicht lange Zeit zum Nachdenken, und zog sie näher zu sich heran und raunte ihr mit einem zusammengekniffenen Auge zu: „You sexy girl, hä.“ Daraufhin brachen die drei in ein übermütiges Gelächter aus und schlugen sich auf die Schenkel, dass es nur so klatschte. Mäo fand diese aufgerissenen, fettglänzenden und vom vielen Bier geröteten Gesichter widerwärtig, aber nach guter Thaiart blieb sie höflich und reserviert und vergaß auch nicht zu lächeln. Selbst als eine tastende Hand ihr zuerst über den Rücken und später über die Schenkel fuhr, verlor sie ihr tapferes Lächeln nicht, wiewohl sie allmählich den Eindruck gewann, dass nun Grenzen überschritten wurden. Mäo rückte immer enger an ihren Gatten heran, dessen Anteilnahme aber nur noch seinen alten Kumpels und dem Bier galt. So kam sie sich etwas verloren vor.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen