Mittwoch, 30. Dezember 2009

Warum der Papayasalat kein Salat ist




In der weiten nordöstlichen Flachebene unseres Gastlandes, dort, wo zwischen strohigen Zuckerrohrfeldern und störrischen Wasserbüffeln die feinen Künste erlesenen Kochens eine entbehrliche Nebensache sind, und wo es ausreicht, wenn zu ungewürztem Grillfleisch schaler Klebreis gereicht wird, ist die Heimat des legendären „Papaya-pok-pok“. Die Rede ist von Somtam, oder besser bekannt als Papayasalat, wobei die Wortbezeichnung „Salat“ eine nach unseren Vorstellungen arg herbei gedrechselte Gattungsangabe ist. Aber wollen wir ihm im besten Wortsinne einmal soviel zugute halten als es sich um eine Frischemahlzeit mit überwiegend rohen Zutaten handelt.

Denn frisch und knackig sind die meisten Zutaten anfangs ja schon! Da sind zunächst die Papayas selbst, zwar grün und unreif, aber unbestreitbar frisch, daneben Zwiebel, Chilischoten, Tomaten, Bohnen, Knoblauch und frisch gepresste Limetten. Bis hierher könnte selbst ein europäischer Gaumen noch mithalten. Doch nach Hinzufügung von reichlich fermentierter Fischsoße, dieser genialen Universalwürze der thailändischen Küche, sowie einer herzhaften Handvoll Pla Raa (in trübem Salzwasser verfaulte und zerfallene Fischreste) und als Abschlußdreingabe von ein paar glitschigen schwarzen Kanalkrebsen, die zuweilen noch zappelnd zerstoßen werden und darob brenzliche hygienische Gütefragen aufwerfen, mögen uns doch Bedenken kommen, ob diese landestypische „Salatkreation“ der menschlichen Gesundheit gefahrlos zugemutet werden sollte. Und mit Eßgenuß hat das auch nichts zu tun, eher schon mit Kühnheit, vielleicht sogar Tollkühnheit, zumal die aus dem Stampftopf heraufziehenden diabolischen Gärschwaden für die irritierte Nase eine schwer auszuhaltende Belastungsprobe darstellen. Wenn nun auch noch geraspelte Erdnüsse und löffelweise Zucker hinterher geworfen werden, dann hat der Begriff „Salat“ endgültig ausgedient. Vielleicht sollte man behelfsweise von einem blindlings zusammen gewürfelten und chaotisch verwürzten Gemüsecocktail auf markanter Fischbasis reden, so einer Art Thai-Ratatoui nach Isaan-Art.

Um einen solch gewagten Gemüsemischmasch als lukullischen Wonnekitzel zu empfinden, muß man schon ein sehr robust gebauter Thai mit einem wahren Husarenmagen sein, der nach der faden Reissuppe am Morgen endlich mal etwas Kerniges neben seinem Lao Khao stehen haben will. Ich persönlich kann dem brisanten Schmaus nichts abgewinnen, und brächte viel Verständnis dafür auf, wenn unbedarfte Geister ihn für ein Insektenvertreibungsmittel hielten. Doch noch nicht mal dazu taugt er. Die Fliegen lieben ihn.

Nun sollte man nicht das Stänkern anfangen, wenn einen fremdländische Imbisse nicht erquicken, zumal unsere thailändischen Mitmenschen ihrerseits wenig Sympathie empfinden für unsere vielen Essig- oder stark riechenden Käsesorten, die ihnen als barbarische, farangeigene Abscheulichkeiten vorkommen.

So sieht es danach aus, dass außer dieser befremdlichen Rohkostkreation aus der Ödnis des Isaans andere Salatformen in diesem Land keine Zukunft haben. Was schade ist. Zwar reicht man bisweilen rohe Weisskrautblätter, frische Minzekräuter und grüne Stangenbohnen als Beilagen zu einigen fetten Grillgerichten, doch ohne jegliche Dressings!

Köstlich angemachte Salate wie sie zum Beispiel die begnadete Mittelmeerküche kennt, sind in Thailand leider gänzlich unbekannt oder werden viel zu gut meinend in üppigen süßen Cremesoßen ertränkt.

Auch für solch delikate Salatbeigaben wie Weißbrot, Käse und Wein ist dieses Land keine Destination. Das Weißbrot wird schnell steinhart, für den Käse sind die Temperaturen außerhalb des Kühlschranks eine Tortur und der Wein hat nie eine Blume. Es ist zu heiß. Dennoch ist im häuslichen Bereich vieles möglich, sogar ein leckerer Salat mit Ölivenöl. Nur unser dreizehnjähriger Hausthai verweigert als bodenständiger Reisesser beharrlich die Teilnahme an solcherlei gesunder Ernährung. Das Olivenöl würde stinken. Wir werden ihm bei Gelegenheit mal einen betörenden Somtam vorsetzen.

©Paul Martini, 21. 1. 2008

4 Kommentare:

  1. Werter lieber -Paul-

    Was sollte besser geeignet sein nach einem richtigen fetten Grillgelage und Bierseeligkeit unter Expats, wie danach ein richtig lecker zubereitetes Som Tam als >>"lukullischen Wonnekitzel".
    Jeder Furz danach erspart den kostenpflichtigen Gang zum medizinischen Wunderheiler, auch betitelt als Prof.Dr.Dr. Sowieso und seine Gang der chemisch-pharmazeutischen Giftmischer und Abkassierer.

    Sprachlich ein wiederum gut gelungener Einblick eines Teilzeitexpates wie deinereiner -- nie wirklich angekommen und Heimatsuchender zwischen zwei Kultur-Welten.

    Gruß eines begeisterten Mitlesers deiner sprachlichen Ausdrucksweise.

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  2. gerade eben fündig geworden betreff des Themas;

    Ein Dorf lebt von Pla-ra-Produktion

    http://www.thaizeit.de/de/lifestyle/index.php?id=44&img=
    (..)
    Wegen seines strengen Geruchs ist Pla Ra bei vielen Ausländern und einigen Zentralthailändern verpönt. Mae Liams Variante jedoch hat einen milderen Geschmack, ihr Geheimnis ist die Verwendung von jodiertem Salz und eine verbesserte Fermentierung. Nach dem Erfolg von Mae Liam folgte ihr das ganze Dorf nach. Heute ist Noan Sawan führend in der Produktion von Pla Ra und wird in der ganzen Provinz dafür geschätzt.

    Die Fische für das Noan-Sawan-Pla-Ra stammen aus dem Ubolratana-Staudamm, der die landwirtschaftliche Gemeinschaft der Region mit Wasser, Strom und Fisch versorgt. Die Herstellung von Pla Ra ist ziemlich einfach. Frisch gefangene, etwa einen Monat alte Fische werden gründlich gereinigt, mit jodiertem Salz vermischt und zerknetet. Danach reift die Masse in Tongefäßen zwischen sechs und zwölf Monaten. Diese fermentierte Mischung ist in trockener und wässriger Version erhältlich und wird anschließend weiterverarbeitet – idealerweise gekocht. Allerdings sind die meisten Einwohner des Isaan mit der ungekochten Version glücklicher. Mae Liam sagt dazu: „Das rohe Produkt ist bei weitem nicht so gesundheitsgefährdend wie behauptet wird. Für uns ist die rohe Version noch köstlicher als die gekochte. Sie entspricht mehr unserem Geschmack“.

    dies ein kurzer Ausschnitt des Beitrages.

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  3. Hallo Jarga, hab Dank für deine Meldungen. Ich hab mich in der letzten Zeit nicht mehr um den Blog kümmern können. Drum find ich es umso erstaunlicher, daß er immer noch gefunden und gelesen wird.

    Danke auch für den Link von thaizeit.de. Zwar lebe ich weder im Isaan noch kann ich der Pla Ra große Sympathien abgewinnen, doch ist es mal aufschlußreich zu lesen wie sie hergestellt wird.

    Dein Blog scheint wohl noch "in Arbeit" zu sein. Na, ich kann ja gelegentlich nochmal vorbeischauen...

    Beste Grüße!

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  4. phlara ist doch nichts anderes. als eine konservierungsform. in europa sind diese konservierungsformen auch seit jahrhunderten gebraeuchlich, poekelfleisch, sauerkraut, sardellenfilets etc, etc
    ob so etwas schmeckt,egal ob in thailand oder europa, kommt doch nur auf den zubereiter und die ingredienzien an.
    ich haette mehr toleranz wie auch kullinarische offenheit und fachkenntnis von diesem beitrag erwartet.
    de gustibus non est disputandum, wohl aber ueber kullinarischen fachverstand.
    wolfgang aus chiangmai

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